Schon im Plan zur Machtübernahme in ÖVP und Staat spielten finanzielle Unterstützer eine Rolle, später gelangten viele davon in einflussreiche Positionen – für die FPÖ nicht zufällig.

19. August 2021 / 14:57 Uhr

Das „System Kurz“: Posten als Gegenleistung für türkise Spender?

Wenige Wochen vor der Nationalratswahl im September 2017 sorgte das Auftauchen geheimer Strategiepapiere aus dem Umfeld von Sebastian Kurz für Aufsehen. Brisantestes Dokument darunter: Das „Projekt Ballhausplatz“. Ganz unverhohlen plante die türkise Gruppe darin die Machtübernahme, zuerst in der ÖVP, dann in der Republik. Der “Ibiza”-Untersuchungsausschuss hat das „System Kurz“ genau unter die Lupe genommen, vor allem der Abschlussbericht der FPÖ bringt tiefe Einblicke in dessen Funktionsweise.

Das Keilen um Spenden für Kurz am Weg zur Macht

„Spätestens 2016, als Reinhold Mitterlehner noch ÖVP-Chef war, begann Sebastian Kurz gezielt mit dem Sammeln von Spenden für einen etwaigen Wahlkampf“, erklärt Nationalratsabgeordneter Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss. Wohlhabende und einflussreiche Personen sollten für die leere Parteikasse gewonnen und ihre Bekanntheit für das Image der „neuen“ Volkspartei genutzt werden. Das Mittel zur Kontaktanbahnung: Veranstaltungen, die Kurz’ Vorgänger Mitterlehner bei seiner Befragung durch die Abgeordneten als „Spenden-Rallyes“ bezeichnete.

Der Modus sei gewesen, dass jemand eingeladen habe, der die lokale Szene kannte, und der Kandidat dort sein Programm vorgestellt habe. „Auf der Liste befand sich das Who-is-Who der heimischen Wirtschafts- und Seitenblicke-Szene, einige davon spendeten oder unterstützten Kurz dann tatsächlich“, so Hafenecker, der Elisabeth Gürtler, KTM-Vorstand Stefan Pierer und TV-Moderatorin Vera Russwurm als Beispiele nennt. Zwischen 2018 und 2019 konnte die ÖVP, deren Schuldenstand 2017 bei 21,5 Millionen Euro lag, rund drei Millionen Euro an Spenden lukrieren.

Nach Machtübernahme: Spender mit Posten belohnt

„Eine Hand wäscht die andere“ ist ein alter Spruch. Gab es also Gegenleistungen der Kurz-ÖVP für ihre Gönner? Für Hafenecker haben diverse Postenbesetzungen den Anschein, dass sie in Verbindung mit geleisteten Spenden stehen:

C-Quadrat-Investment Group-Vorstand Alexander Schütz etwa spendete 45.000 Euro, seine Frau Eva Hieblinger-Schütz wurde Vize-Kabinettschefin im Finanzministerium. Bettina Glatz-Kremsner, damals noch einfaches Vorstandsmitglied der Casinos Austria, tätigte eine 10.000 Euro-Spende an die Volkspartei, später wurde sie Vorstandsvorsitzende der Casinos und erhielt trotz Verbleibs im Unternehmen eine fette Abfertigung. Die Liste derartiger “Zufälle” ist lang und zeigt die Mechanik des “Systems Kurz” auf.

Die FPÖ hat diese in ihrem Abschlussbericht zum U-Ausschuss gesammelt.

Wenig Transparenz bei Kurz-Denkfabrik “Think Austria”

Auffällig sind auch die guten Geschäfte von Kurz-Intimus und Signa-Gründer René Benko. Für dessen Kauf des Kika/Leiner-Gebäudes in Wien-Neubau ließen zum Beispiel der Bundeskanzler und der damalige ÖVP-Justizminister Josef Moser sogar das zuständige Bezirksgericht extra zwischen den Weihnachtsfeiertagen aufsperren.

Institutionalisiert seien die Wirtschaftskontakte in Kurz’ Denkfabrik “Think Austria” geworden, der direkt im Kanzleramt angesiedelt ist und an dessen Spitze Antonella Mei-Pochtler, Gattin des Chefs der Wiener Industriellenvereinigung, steht. „Selbst in parlamentarischen Anfragebeantwortungen gibt sich Kanzler Kurz wortkarg über die genauen Aufgaben seines Thinktanks, obwohl dieser die Steuerzahler jährlich 250.000 Euro kostet“, bemängelt Hafenecker die fehlende Transparenz, die auch der Grund für dessen Auflösung durch Übergangs-Kanzlerin Brigitte Bierlein gewesen sei. Ein weiterer Untersuchungsausschuss werde auch hier Licht ins türkis-schwarze Dunkel bringen müssen.

 

 

 

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