ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz darf sich aussuchen, von wem er wegen des Verdachts der falschen Beweisaussage vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss einvernommen wird.
Weisung nach Wunsch von Kurz’ Rechtsvertreter
Das teilte das Justizministerium heute, Montag, in einer Aussendung mit. Kurz soll nun von einem Richter und nicht, wie ein Normalbürger, von der ermittelnden Staatsanwaltschaft einvernommen werden. Die Presse schreibt dazu, dass das Justizministerium eine entsprechende Weisung erteilt habe, die dem Wunsch von Kurz’ Rechtsvertreter entspreche.
Fahler Beigeschmack
Im Vorfeld hatte die ÖVP schwere Attacken gegen die Justiz, insbesonders gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geritten. Allerdings ohne konkrete Vorwürfe zu benennen. Das von der grünen Ministerin Alma Zadic geführte Justizministerium sprang also jetzt helfend zur Seite, wohl um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden. Einen fahlen Beigeschmack hat die Causa aber allemal.
Justizministerium ringt nach Begründung
In der Aussendung des Justizministeriums um 17:15 Uhr bemüht man sich, die Entscheidung ausreichend und unter Hinweis auf die Bestimmung § 101 Abs 2 Strafprozessordnung (StPO) zu begründen. Da heißt es:
Für die Anwendbarkeit müssen folgende Voraussetzungen gemeinsam vorliegen:
1. eine besondere Bedeutung des Beschuldigten und
2. eine besondere Bedeutung der Straftat und daher
3. bestehendes öffentliches Interesse an der gerichtlichen Beweisaufnahme
Ermittlungen gegen amtierenden Kanzler
Zum ersten Mal werde gegen einen amtierenden Bundeskanzler wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, so das Justizministerium weiter, die dieser während der laufenden Amtszeit und in der Funktion als Bundeskanzler vor einem verfassungsmäßig garantierten parlamentarischen Kontrollgremium (Ibiza-Untersuchungsausschuss) mutmaßlich begangen haben soll. Daher seien sowohl der Beschuldigte als auch die Strafsache von besonderer Bedeutung.
Damit fabrizierte das Justizministerium eine Falschmeldung. Denn Kurz ist nicht der erste amtierende Bundeskanzler, gegen den ermittelt wird. 2012 gab es gegen SPÖ-Kanzler Werner Faymann Ermittlungen bezüglich der “Inseraten-Affäre”. Wie der ORF berichtete, wurde Faymann damals von der Staatsanwaltschaft einvernommen.
“Besondere Bedeutung der Straftat”
Aufgrund dieser besonderen Konstellation habe die zuständige Sektion des Justizministeriums das Vorliegen aller drei Voraussetzungen bejaht. Die Entscheidung wurde ausschließlich aus rechtlichen Erwägungen aufgrund der besonderen Bedeutung der Straftat und des Beschuldigten getroffen, heißt es in der Aussendung des Justizministeriums. Es gilt die Unschuldsvermutung.