Es scheint normal geworden zu sein, dass sich die Regierung über die Verfassung hinwegsetzt. Dieses Mal betrifft es die Verkehrspolitik.
Verfassungsgutachten „veraltet“
Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) möchte ihr österreichweites „1-2-3-Ticket“ für die öffentlichen Verkehrsmittel durchbringen. Doch die Stadt Linz hat in einem Rechtsgutachten nachgewiesen, dass dies der Verfassung widerspricht. Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) und Infrastrukturreferent Vizebürgermeister Markus Hein (FPÖ) hatten in einer Pressekonferenz vor wenigen Wochen erläutert, dass die Tarife für Nah- und Regionalverkehr nicht vom Bund festgelegt werden dürfen.
Gewessler wischte dieses Gutachten als „veraltet“ beiseite. So einfach geht das mit der Verfassung.
Keine Begeisterung in Bundesländern
Doch das Durchregieren funktioniert noch nicht perfekt. Denn die Bundesländer wollen nicht so recht, und das, obwohl der Koalitionspartner auf Bundesebene in den meisten Ländern auch den Landeshauptmann stellt. So hat Gewessler nach einem Jahr und rund 150 Gesprächen mit den übrigen Ländern und den Verkehrsverbünden nur Salzburg, Tirol und Vorarlberg dafür gewinnen können, wo die Grünen mitregieren. Für FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker eine Blamage:
In Wahrheit ist das ein Selbsteingeständnis der völligen Inkompetenz dieser Ankündigungsministerin, denn für die übrigen sechs Bundesländer, in denen rund 85 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben, konnte sie noch immer keinen einzigen Vertrag auf den Tisch legen.
Jenseits der Realität
Doch Gewessler sah sich am Freitag als „sehr glückliche Mobilitätsministerin“ und sprach sogar von einer „Revolution“ hin zu einem bequemen und günstigen „Öffi“-Ticket.
Umsetzen will sie das Fahrkartensystem, bei dem man um einen Euro pro Tag in einem Bundesland, um zwei Euro pro Tag in einem und im Nachbarbundesland, um drei Euro pro Tag das gesamte Bundesgebiet bereisen kann, für ganz Österreich bis Jahresende – Verfassung hin oder her, Finanzierung hin oder her.