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3. August 2012 / 11:00 Uhr

Olympia: Eine Frage des Patriotismus

Betrachtet man den aktuellen Medaillenspiegel der Olympischen Sommerspiele in London, wird man vergeblich nach einer Österreich-Zeile suchen. Das Scheitern heimischer Athleten zieht sich zur Olympia-Halbzeit durch alle Disziplinen. Woran das wohl liegt?

Natürlich finden sich in der nach dem Motto: „Ich will alles und das gleich!“ lebenden Spaßgeneration immer weniger junge Menschen, die die Entbehrungen des trainingsintensiven Lebens im Hochleistungssport auf sich nehmen. Natürlich müssen in vielen Sparten Verbandsstrukturen verbessert werden, um auch Breite in den Spitzensport zu bringen und nicht ausschließlich auf verbissene Einzelkämpfer wie Thomas Muster angewiesen zu sein. Natürlich ist Österreich als traditionelle Wintersportnation „schneelastig“ und bei den klassischen, disziplinen- und damit medaillenreichen Sommerbewerben wie Leichtathletik, Rudern oder Schwimmen nur sporadisch treppchenverdächtig. Und natürlich kann ein „kleines Land“ nicht auf jene Ressourcen zurückgreifen wie Staaten, in denen es mehr aktive Tennisspieler gibt als hierzulande Mitglieder in Sportvereinen eingetragen sind. Auch der Formaufbau hinsichtlich der jeweils gewählten Saisonhöhepunkte spielt eine wesentliche Rolle. Auch die Qualität der Trainer entscheidet über die Leistungsfähigkeit der Athleten. Trainer, die nicht aus eigenem Erleben wissen, wie sich große Siege und der Weg dorthin „anfühlen“, können beides schwer vermitteln.

Fehlende Turnstunden und fehlendes Geld

Aber genügt das als Erklärung für die täglich begrabenen Medaillenhoffnungen, die es trotz bescheidenster Erwartungen doch gab und gibt? Nein. Beste Jugendförderung im Sinne des Sports kann nicht gegeben sein, wenn im Schulbereich ständig Turnstunden gestrichen werden. Fehlende finanzielle Unterstützung effizient arbeitender Vereine und besonders die oftmals fehlende Förderung der durchaus vorhandenen jungen Talente lassen diesen wenig Raum zur Entfaltung und Talente wie Eltern nicht selten verzweifeln und aufgeben.

Während US-Athleten vor großen Wettkämpfen ein umfassendes Programm abspulen und viele Bewerbe wahrnehmen, um ihre Wettkampfhärte auszubilden, vermeiden österreichische Sportler oftmals diese „Überlastungsgefahr“. Trotz hoher Vorbelastung gewinnen die US-Athleten aber häufig. Trotz der Tatsache, dass etwa amerikanische Schwimmer in vielen Disziplinen antreten und Semifinali und Finali im Stundentakt absolvieren, räumen sie Medaillen ab, während die geschonte österreichische Konkurrenz, die sich auf „ihren Bewerb“ konzentriert, hinterher krault. Bei US-amerikanischen Muskelbergen oder chinesischen Konditionswundern fragt auch niemand nach möglichen unerlaubt leistungsfördernden Ernährungsgewohnheiten, während sich an der Weltspitze angekommene Österreicher regelmäßig mit Dopingvorwürfen auseinandersetzen müssen. Dass diese Vorwürfe zumeist im eigenen Land erhoben werden, von eifersüchtigen Konkurrenten oder sensationslüsternen Journalisten, ist ein weiteres Austro-Spezifikum, das wenig erfolgssteigernd wirkt.

Im Fußball versuchen unterschiedlichste Trainer seit Jahren mit wechselndem „Spielermaterial“ vergeblich an die Ära Cordoba bis Gijon anzuknüpfen, um nicht gar das „Wunderteam“ zu bemühen, das auch aus dem kleinen Österreich kam. Hier liegt es nicht am Geld oder dem Talent der Akteure, die in ihren, zumeist in starken europäischen Ligen aufgeigenden Vereinsmannschaften durchaus reüssieren.

Sind die Österreicher stolz auf ihr Heimatland?

Woran liegt es also? Vielleicht an mangelnder Einstellung? Woher aber käme dieses Defizit, wenn es die Ursache des multiplen Versagens wäre? Kaum ein Spieler ist fähig, die eigene Bundeshymne zu singen – das war auch schon vor deren mutwilliger Umdichtung so. Kaum ein Spieler zeigt das stolze Leuchten im Stürmer- oder Innenverteidiger-Auge, das bei jenen Kickern zu sehen ist, die beim Abspielen ihrer Hymne die Hand auf dem Herzen halten.

Treten sie für ihr Heimatland an, erfüllt sie das mit Stolz. Es ist für sie eine – nicht nur artikulierte, sondern auch empfundene – Ehre, ihr Land auf der schillernden Bühne des fernsehtechnisch zum Jahrzehntereignis stilisierten, sorgfältig inszenierten und episch zelebrierten Weltsports zu vertreten. Dieses Land umgekehrt ist stolz auf seine Athleten, auf seine: Helden. Dieses in unseren Breiten, zusammen mit Stolz und Ehre, auf die schiefe Bahn dirigierte Vokabel, umfasst Vieles von dem, woran es hierzulande krankt. Helden sind positiv besetzte Vorbilder, die durch ihre Entschlossenheit, ihre Zuversicht, ihre Kampfkraft,… überzeugen, mitreißen, Emotionen auslösen.

Wer aber sind die Vorbilder unserer Jugend? Wo ist der Stolz auf das eigene Land? Kann man stolz sein auf einen Staat, der als Geldgeber für Pleitiers und Spekulanten auftritt, ansonsten aber wenig auf den Gemeinschafts- und Solidaritätsgedanken gibt? Auf einen Staat, der sich sehr viel ausgiebiger mit seiner Vergangenheit und fremder Gegenwart als mit der eigenen Gegenwart und namentlich seiner Zukunft auseinandersetzt? Auf einen Staat, der peinlichst alles vermeidet, was angetan sein könnte, patriotische Gefühle und Ideen des Gemeinsamen, des Eigenen zu kultivieren?

Heimatliebe wird als anrüchig und chauvinistisch dargestellt

Man kann, aber es fällt schwer. Nur wenige können sämtliche ideologische Hürden überwinden, die zwischen Individuum und intaktem Herkunftsbewusstsein errichtet wurden. Nur wenige stehen so fest verankert in der eigenen Mitte, dass sie des Antriebs des Publikums, der „wie ein Mann hinter ihnen stehenden“ Gemeinschaft nicht bedürfen. Für alle anderen stellt sich die Frage: Wie etwas vertreten, das, aus Gründen der politischen Korrektheit, nicht wahrgenommen werden will? Wie für ein Land stehen, das sich systematisch unsichtbar macht, wo es darum ginge, den eigenen Kindern zu verdeutlichen, woher sie kommen und wofür sie einzutreten haben, wenn sie sich mit den Werten, Traditionen und Errungenschaften ihrer Herkunftsgesellschaft identifizieren können und wollen?

Es ist eine von vielen, mutmaßlich aber eine wesentliche mentale Komponente sportlicher Höchstleistungen im Namen der Fahne, seine Heimat zu lieben. Wo Heimatliebe als anrüchig stigmatisiert und als chauvinistisch verunglimpft wird, kann die erforderliche Gefühlstiefe nicht entwickelt und folglich nicht gelebt werden. Ein Aspekt, der sportliche Leistung zur Stunde X beeinflusst. Wie stark seine Wirkmacht auf Wettkampfresultate letzten Endes ist, bleibt unmessbar. Es ist aber augenfällig, dass Athleten aus Herkunftsländern mit intaktem Nationalbewusstsein anders auftreten als die emotional Staatenlosen. Starke Verbände, in ihrem Selbstverständnis starke Nationen, bringen sehr viel wahrscheinlicher mental starke Athleten und „Siegertypen“ hervor als jene Länder, die sich als verschreckte Kaninchen vor der eingebildeten Weltschlange gebärden.

Dabei sein ist nicht alles

Der Olympische Gedanke: „Dabei sein ist alles!“ befriedigt weder Sportler noch Publikum. Dabei ist tatsächlich nur, wer in den Siegerlisten aufscheint. Es geht um Medaillen, um Auszeichnungen hervorragender Leistungen, die der Einzelne oder die Mannschaft im Namen seiner oder ihrer Nation erbringen. Um den dafür erforderlichen „nationalen Rückenwind“ verspüren zu können, müssen die Sportler die Chance erhalten, das von ihnen repräsentierte Land mit allen seinen Vorzügen und Nachteilen kennen zu lernen. Den knieweichen Stubentiger unter siegeshungrigen Windhunden zu mimen, fördert Leistung nicht, es hemmt sie. Dazu werden österreichische Sportler aufgrund der Selbstdarstellung ihrer Nation aber gezwungen. Auch darüber sollten all jene reflektieren, die uns Debakel regelmäßig als vertretbar und Niederlagen als de facto Erfolge verkaufen wollen.

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