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31. Jänner 2010 / 22:09 Uhr

Tiefe Kratzer in der gutmenschlichen Festspiel-Moral

Es beginnt immer mit Köpferollen. Dieser Tage hat es den technischen Direktor der Salzburger Sommerfestspiele nach zwanzig Jahren und den Geschäftsführer der Osterfestspiele nach zwölf Jahren getroffen. Angeblich – und die Zeitungen schreiben schon eifrig von Unschuldsvermutung – geht es um einen Betrag von 650.000 Euro. Eine schöne Summe, die da irgendwelche Leute eingesackt haben sollen. Jedenfalls scheint das Geld weg zu sein.

Natürlich wird in Pressekonferenzen schon ein Erklärungsmodell angeboten, wie die Sommer- mit den Osterfestspielen verwoben sind und wofür welches Geld für welche Tätigkeit auch immer verwendet worden ist. Man ist sogar bereit, so Helga Rabl-Stadler, der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung zu übermitteln. So möchte man Kooperation beweisen und den schwarzen Peter an jemanden abgeben, der dafür seinen Kopf hinhalten sollte. Eine durchaus gängige Praxis, denn es scheint so, dass die Frau Präsidentin nicht dafür verantwortlich ist.
 
Helga Rabl-Stadler hat eine interessante Karriere hinter sich. Die Tochter des langjährigen ORF- Generalintendanten Gerd Bacher ist in den achtziger und neunziger Jahren Abgeordnete der ÖVP zum Nationalrat gewesen, ab 1988 hatte sie die Funktion der Präsidentin der gewerblichen Wirtschaft Salzburgs inne, von 1991 bis 1995 war sie noch Bundesobmann-Stellvertreterin der ÖVP. Am 26. Jänner 1995 hat sie dann ihren derzeitigen Posten als Präsidentin der Salzburger Festspiele erhalten, vertraglich vorerst bis 2011 garantiert. Außerdem, und das gewährleistet eine besonders objektive Berichterstattung des Österreichischen Rundfunks zu diesen Malversationen, ist sie eine von der Bundesregierung ernannte Stiftungsrätin des ORF.
Kein Zweifel, dass sie bei der Eröffnung der Osterfestspiele in ihrer geschmackvollen Robe wieder in die unzähligen Kameras lächeln wird – an der Seite der SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die Präsidentin der Osterfestspielstiftung ist.
 
Auf den ersten Blick hält sich die Aufregung übers verschwundene Geld in Grenzen. Die Besucher dieser Festspiele zahlen ohnehin weniger für den Kulturgenuss als vielmehr fürs Gesehen-Werden. Der Schaden pro Eintrittskarte ist kaum spürbar. Doch der gelernte Österreicher schaut nach und findet: Je größer der Ruhm der Festspiele, desto höher auch die öffentlichen Subventionen. Salzburg hat 2008 13,4 Millionen Euro bekommen – von Bund, Land, Stadt und Tourismusförderung.
 
Was davon nicht in dunklen Kanälen versickert, wird zum Teil ausgegeben, um Künstler zu subventionieren, die Österreich möglichst gut vernadern können. In Salzburg im Vorjahr etwa der Chansonier Georg Kreisler, der im Gespräch mit Daniel Kehlmann seine Bedenken ausbreiten durfte, dass sich das politische System in Österreich nach rechts ändern könnte, "wie es in der Vergangenheit bereits geschehen ist." Oder direkter noch der Schriftsteller Robert Menasse, der mit seinen Beleidigungen des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf bei der Eröffnung des jüngsten Linzer Brucknerfestes – staatlich stattlich entlohnt – mit Graf gleich einen großen Teil der Österreicher diskreditierte, wozu ihm die Politiker der anderen Parteien mit gutmenschlich ernstem Blick Applaus spendeten.
 
Der durch den Salzburger Finanzskandal gewährte Blick hinter die Kulissen der Festspielwelt relativiert stark den moralisch-ethischen Universalanspruch, den solche Einrichtungen gerne für sich erheben.

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