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20. März 2019 / 12:00 Uhr

Chinas Vergangenheit und Zukunft: Stets im “Mittelpunkt der Welt”?

Eine beeindruckende Original-Dokumentation über den chinesisch-japanischen Krieg (1937 bis 1945) beginnt mit den Worten “China is culture, China is land and China is people”. Wenn man das Land selbst bereist hat, könnte man kaum einfacher und treffsicherer China charakterisieren. Nach Ansicht des Autors fehlt nur noch die vierte wichtige Charakteristik, jene Charakteristik, wie die Chinesen ihr Land selbst sehen: “China is the center of the world”.

Platz in der Mitte der Welt

Während der mehr als 4000-jährigen Geschichte hat China niemals seine Intentionen in der Welt vergessen, sie wurden durch äußere Einflüsse lediglich gebremst und verlangsamt. Heute hat China wieder jenes wirtschaftliche und militärische Potential zur Verfügung, das es ihm erlaubt, sein Sendungsbewusstsein, ” Mittelpunkt der Erde zu sein”, wieder zur Wirkung bringen zu können, wie es einst unter den besten Zeiten der Yuan-Dynastie im 13. und 14. Jahrhundert, der Ming-Dynastie im 15. und 16. Jahrhundert und während der Quing-Dynastie im 17. und 18. Jahrhundert, Eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde.

Beispielsweise war die Zeit der Quing-Dynastie gekennzeichnet durch wirtschaftliche Blüte und eine damit einhergehende Bevölkerungsexplosion von 160 Millionen (1700) auf 300 Millionen (1800). Im Vergleich dazu lebten um 1800 in Europa, einschließlich Russland, nur knapp 190 Millionen Menschen. Bei einer Gesamtbevölkerung der Welt von rund 900 Millionen lebten in China und Europa mehr als die Hälfte aller Einwohner weltweit. Aus der Zeit der Quing-Dynastie gibt es beeindruckende Zeitzeugnisse. Wer kennt nicht die Reise von Marco Polo nach China im 13. Jahrhundert und seine Schilderungen der Prachtentfaltung im Reich der Mitte.

Rasanter Aufstieg

China erlebte durch den rapid fortschreitenden Imperialismus europäischer Großmächte und auch Japans in der Endphase des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Zeiten eines Niederganges, verbunden mit Kriegen gegen begehrliche Nachbarstaaten sowie Bürgerkriege im Inneren. Erst Mao Zedong gelang es mit seiner Roten Armee, in einem mit aller Härte geführten, fast 22 Jahre dauernden Bürgerkrieg mit fast fünf Millionen Toten, das Land 1949 zu einen und die Basis zu schaffen, dass heute ein auf dem Festland vereinigtes China nach seinem Tode 1976 durch eine Welle der Modernisierung, ohne jedoch Demokratisierung und Parteienpluralismus zuzulassen, wieder an das wirtschaftliche, technologische und militärische Niveau der westlichen Demokratien aufschließen konnte.

Trotz aller wirtschaftlicher Erfolge lässt aber das Regime in Peking umfassende Demokratisierungsversuche nicht zu und walzte zum Beispiel 1989 protestierende Studenten auf dem Tian’anmen-Platz brutal mit Panzern nieder. Wirkliche Kenner der Lage in China meinen, dass nur durch die Einparteienherrschaft in Peking und die autoritäre Führung der Zusammenhalt Chinas sichergestellt sei und es zu keinen Abspaltungstendenzen einzelner Provinzen kommt. Der rasante Aufstieg der Volksrepublik China ist umso bemerkenswerter, da das Land erst Anfang der 1970er Jahre wieder in der internationalen Staatengemeinschaft Fuß gefasst hatte und danach zumindest noch ein weiteres Jahrzehnt in einer technologischen und wirtschaftlichen Rückständigkeit verblieben ist.

Große Völkerbewegungen

Einen großen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg trugen bisher die Auslands-Chinesen. Durch unzählige Kriege, Natur- und Hungerkatastrophen kam es im Laufe der langen Geschichte Chinas immer wieder zu Auswanderungswellen, die heute jeden Winkel der Welt erreicht haben. Schätzungen gehen davon aus, dass es rund 60 Millionen Auslands-Chinesen gibt. Diese leben verstreut über den ganzen Erdball und bilden signifikante Minderheiten in einigen südostasiatischen Staaten (Thailand, Malaysia, Indonesien, den Philippinen und Vietnam), aber auch in Australien, Neuseeland, auf einigen kleineren Inselstaaten des Pazifik (Fidschi, Samoa, Tonga), in Südafrika, Angola und Madagaskar gibt es größere chinesische Ansiedelungen. In Europa leben in Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland mehrere 100.000 Chinesen.

In Österreich leben etwa 30.000 Auslands-Chinesen zumeist in den größeren Städten. Auf dem amerikanischen Kontinent leben größere Gruppen in den USA, Kanada, Peru, Venezuela und Brasilien. Die Auslands-Chinesen zeichnen sich durch Fleiß und Zusammenhalt aus, sie bestehen aus einer breiten Mittelschicht mit einer kleinen superreichen Oberschicht. Der Erfolg der Auslands-Chinesen beruht in der erster Linie auf ihrer starken ethnischen Solidarität und ihren unsichtbaren Beziehungsgeflechten, ihrem exzellenten Überblick und ihrer Fähigkeit, sich jeder Situation rasch anpassen zu können.

Schätzungen zufolge soll das Bruttoinlandsprodukt der Auslandschinesen in Asien Anfang der 1990er Jahre fast 450 Milliarden US Dollar betragen haben. Dies entspricht etwa dem Bruttonationalprodukt der Volksrepublik China Anfang der 1990er Jahre. Die Chinesen außerhalb Chinas beherrschen damit die Wirtschaften auf der asiatischen Seite des Pazifiks, ausgenommen Japan sowie Nord- und Südkorea, und sie haben ihr Vermögen zu einem Großteil in sogenannten Steuerparadiesen gehortet.

Die Auslands-Chinesen hatte daher zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Modernisierung Chinas genügend flüssiges Geld vorrätig, um der maroden Volkswirtschaft in China kräftig unter die Arme zu greifen. Dabei war es unbedeutend, dass man einem autoritären Regime Geld borgt, da bei all den Überlegungen der Auslands-Chinesen, der Volksrepublik China Geld zu borgen, immer ethnische Solidarität vor politischen Gegensätzen gestanden ist. Die Auslands-Chinesen setzten damit auf das richtige Pferd und werden mit jedem weiteren Erfolg der Volksrepublik China noch reicher und können durch ihre Solidarität darauf bauen, dass sie beim Griff Chinas auf die Weltherrschaft gebührend entlohnt werden.

Politisch enge Netze

Neben den Auslands-Chinesen als wertvolle Hilfe auf dem Weg zu mehr Einfluss in der Welt, hat die Volksrepublik China seit ihrer Öffnung ihr außenpolitische Netz enger zu spinnen begonnen und unterhält in fast allen unabhängigen Staaten der Welt Botschaften und Konsulate mit mehreren Abteilungen, darunter zumeist auch eine Militärdiplomatische Abteilung. Betrachtet man die außenpolitische Weltkarte Chinas, so gibt es lediglich in den größeren Staaten Burkina Faso und Paraguay keine Botschaften.

China wendet für das diplomatische Netz und die in diesem Netz durchgeführte Propaganda-Maschinerie viel Geld auf und unterhält dazu auch Kulturinstitute und privat organisierte Vereinigungen, die ebenfalls auf der Lohnliste Pekings stehen. Mit all diesen Maßnahmen erreicht man, zumindest theoretisch, fast jeden Winkel der Welt, um Propaganda für den segensreichen Beitrag der Volksrepublik China zur positiven Entwicklung der Weltwirtschaft, für die Steigerung der Wohlfahrt in den Entwicklungsländern und nicht zuletzt für die Aufrechterhaltung des Weltfrieden zu transportieren.

Ein besonderes Engagement zeigt China in Afrika. Auf dem für viele Europäer verlorenen Kontinent betätigen sich chinesische Unternehmen und verbessern Infrastruktur. Bezahlen lassen sich die Chinesen ihre Leistungen mit Rohstoffen, die sie dringend für ihre Wirtschaft benötigen. Die Chinesen sind vielerorts als Geschäftspartner sympathischer als die US-Amerikaner oder Europäer, da sie nicht nach der Einhaltung von Menschenrechten im Lande fragen und auch durch die von den afrikanischen Machthabern als fair empfundenen Gegengeschäfte keine Ausbeutungspolitik betreiben wie einst die Europäer. China ist nun drauf und dran, das Geschäftsmodell Afrika auch nach Lateinamerika exportieren zu wollen, was aber zwangsweise auf einen großen Widerstand der USA stoßen wird.

Weiterer Wandel

Der rasante Wiederaufstieg der Volksrepublik China begann Anfang der 1990er Jahre und blieb zunächst durch andere einschneidende wirtschaftliche Ereignisse (asiatische Tigerstaaten, Beginn der Rezession in Japan, etc.) weitgehend unbeachtet von der Welt. China konnte dadurch leichter die Vorrausetzungen schaffen, um den größten Boom für Konsumgüter in der Geschichte der Menschheit einzuleiten.

Der Beginn des wirtschaftlichen Aufstieges ist etwas mehr 25 Jahre her. Vergleicht man diesen Zeitraum mit anderen ehemaligen Weltmächten und der Weltmacht USA, so kann man die Feststellung treffen, dass all diese Staaten mehrere Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte gebraucht haben, um zur Weltmacht aufzusteigen. Und bekanntlich wurde Rom auch nicht an einem Tag erbaut. Die Volksrepublik China braucht daher sicher noch Zeit, um das Ziel, wieder Mittelpunkt der Welt zu werden, erreichen zu können.

Gesellschaft ändert sich

Auf dem Weg zu diesem Ziel gibt es für China noch viele Baustellen zu beseitigen. Zwei davon haben Priorität, nämlich die Sicherstellung stabiler innenpolitischer Verhältnisse und der weitere Ausbau der Streitkräfte, die den Streitkräften der USA als ebenbürtig angesehen werden können. Neben dem autoritären Einparteienregime, das zwar kleine, unbedeutende Parteien neben sich zulässt, bildet die Zusammensetzung der chinesischen Gesellschaft und ihrer Lebensbedingungen wohl den größten Unsicherheitsfaktor für die innere Stabilität, die aber die Grundlage für ein weiteres wirtschaftliches Wachstum darstellt.

Auf den ersten Blick ist die Bevölkerung der Volksrepublik China ethnisch sehr homogen, denn mehr als 90 Prozent der Bevölkerung werden zu den Han-Chinesen gezählt, was aber in Frage gestellt werden muss, da die Han-Chinesen das Ergebnis der Vermischung unterschiedlicher Völker im Laufe der Geschichte sind, die unterschiedliche Sprachen, Sitten, Bräuche oder auch Lebensweisen besitzen wie beispielsweise die Kantonesen und die Bewohner von Fujian. Die durchaus unterschiedliche Zusammensetzung der Bevölkerung kann zu innenpolitischen Krisen führen, wenn sich durch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen im Land einzelne Ethnien, aber auch die Verlierer des Wachstums, beispielsweise hunderte von Millionen Wanderarbeitern, gegen die Zentralgewalt erheben und sich die Situation zu einem offenen Aufstand weiterentwickelt.

Zukunftsentwicklungen ungewiss

Die zweite bedeutende Baustelle betrifft die Streitkräfte, die zwar innerhalb von 25 Jahren einen imposanten Modernisierungsschub erlebten, aber vor allem im maritimen Bereich noch lange nicht jene Potentiale erlangt haben, die China befähigen, an jedem beliebigen Punkt der Erde rasch Flagge zeigen zu können. Will China eine ähnlich imposante Flotte besitzen, wie es heute die USA haben, so benötigt China fast ein Jahrzehnt, um beispielsweise jene Trägerkapazitäten aufzubauen, wie sie heute die USA haben.

Erfolgreiche Menschen und erfolgreiche Staaten werden zwar beneidet, aber auch gefürchtet und abgelehnt. Die Chinesen und die Volksrepublik China sind dabei keine Ausnahme.

Sterling Seagrave zitiert in seinem Buch über das unsichtbare Wirtschaftsimperium der Auslands-Chinesen einen Ausspruch, der Sir James Brooke, der im 19. Jahrhundert Radscha von Sarawak war, zugesprochen wird: “Ich weiß nicht, ob ich die Chinesen wegen ihrer vielen Tugenden bewundern, oder wegen ihrer grellen Defekte verachten soll.Ihr Fleiß übertrifft den jeden anderen Volkes auf der Erde, sie sind arbeitsam, geduldig und frohgemut. Auf der anderen Seite sind sie korrupt, aalglatt und pedantisch, sie kriechen vor der Autorität und sind tyrannisch gegen Untergebene”.

Beachtet man diese Worte, wird es für Europa günstig sein, China auf Augenhöhe zu begegnen, als gleichwertigen Handelspartner zu akzeptieren und niemals Schwäche zu zeigen, vor allem wenn es darum geht, das europäische Menschenrechtsmodell als Ergebnis der Entwicklung moderner Demokratien zu preisen und für nachahmenswert zu empfehlen.

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