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Ein Rumäne, der in Irland wohnt, hat vor dem EuGH Recht bekommen. Faktisch heißt das aber, dass er die Familienbeihilfe zurückzahlen muss …

7. Feber 2019 / 19:41 Uhr

Familienbeihilfe: Rumäne siegt vor Europäischem Gerichtshof – ihm steht trotzdem nichts zu!

Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird mittlerweile über die Medien verbreitet, wenngleich offensichtlich die falschen Schlüsse gezogen werden. Ein Rumäne, der in Irland gearbeitet hat, dann arbeitslos wurde, wollte weiterhin die Familienbeihilfe aus Irland für seine beiden in Rumänien lebenden Kinder haben. Nun, der zuständige “Minister für sozialen Schutz” (in Irland wohl der Familienminister) wollte dem Rumänen für jenen Zeitraum, für den er nur noch eine reine Sozialhilfe – also kein Arbeitslosengeld – bezog, keine Familienbeihilfe für seine beiden Kinder zahlen. Es geht dabei um einen Zeitraum von drei Jahren, denn der Rumäne bezog nachher eine Leistung bei Krankheit – vermutlich eine Invalidenrente. Seither bezieht er wieder Familienbeihilfe. Doch diese dürfte er weiterhin zu Unrecht beziehen, wenn man die Entscheidung des EuGH komplett durchdenkt.

Begründet wurde die Einstellung der Familienbeihilfe damit, dass dem Rumänen zwar, als er erwerbstätig war und in Folge ein Arbeitslosengeld bezog, einen Anspruch auf Familienleistungen haben würde. Dieser sei aber verfallen, als er nur noch Sozialhilfe bezog und somit eine Leistung, die beitragsunabhängig ist.

Irland zahlt Familienbeihilfe nicht aufgrund Erwerbstätigkeit

Nun, Irland gewährt seine Familienbeihilfe – so wie auch Österreich – nicht aufgrund einer Erwerbstätigkeit. In Artikel 67 der EU-Verordnung 883/2004 heißt es, dass ein Elternteil, der in einem anderen Mitgliedstaat lebt, Anspruch auf Familienleistungen haben kann, als ob auch seine Kinder dort leben. Somit hätte der Rumäne, unabhängig von den Prioritätenregeln, die in Artikel 68 beschrieben werden, einen Anspruch auf Geld. Die Prioritätenregeln besagen, dass Ansprüche auf Familienleistungen aufgrund einer Erwerbstätigkeit Vorrang über Rentenansprüche hätten und Wohnortansprüche an letzter Stelle stehen.

Der hohe Gerichtshof wollte nun vom EuGH wissen, ob der Artikel 67 in Verbindung mit dem Artikel 11, Abs. 2, der besagt, dass eine Person, um Anspruch auf “Familienleistungen” . zu haben, entweder im zuständigen Mitgliedstaat . als Arbeitnehmer . tätig sein oder Geldleistungen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 der Verordnung beziehen muss.

Der EuGH antwortet mit NEIN. Wörtlich heißt es:

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 883/2004, insbesondere ihr Art. 67 in Verbindung mit ihrem Art. 11, Abs. 2, dahin auszulegen ist, dass für den Anspruch einer Person auf Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens weder Voraussetzung ist, dass diese Person in diesem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, noch, dass sie von ihm aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung bezieht.

Die Rolle der Mutter wird nicht berücksichtigt

Nun, die Medien meinen nun, dass dem Rumänen die Familienbeihilfe aus Irland zusteht. Zwar hat ihm auch der Hohe Gerichtshof als solche eine zuerkannt. Die Anerkennung erfolgt zu Unrecht, wenn man die Entscheidung des EuGH zu Ende denkt. Wesentlich ist nämlich, ob die Mutter in Rumänien eine Familienleistung bezieht und ob die Mutter gemäß den Rechtsvorschriften in Rumänien aufgrund einer Erwerbstätigkeit eine Familienleistung bezieht. Über die Mutter wird jedenfalls kein Wort erwähnt. Unzensuriert hat sich vor einiger Zeit mit den Familienleistungen in Rumänien beschäftigt.

Kurz zusammengefasst gewährt Rumänien zwei Leistungen. Eine wird nicht aufgrund einer Erwerbstätigkeit bezahlt: das staatliche Kindergeld. Diese beträgt für Kinder unter zwei Jahren umgerechnet fast 43 Euro. Kinder zwischen zwei und 18 Jahren erhalten 18 Euro. Dann gibt es noch die einkommensabhängige Familienbeihilfe. Familien mit einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 43 Euro pro Familienangehörigem erhalten für ein Kind 17,6 Euro (82 RON), für zwei Kinder sind es ca. 35 Euro. Familien mit einem monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommen zwischen 43 Euro und 113,7 Euro pro Familienangehörigem erhalten für ein Kind 16 Euro für zwei Kinder 32 Euro.

Wohnort-Wohnort-Konstellation stoppt Familienbeihilfezahlungen

Sollte die Mutter nicht arbeiten, dann steht ihr nur die staatliche Kinderbeihilfe zu. Und in diesem Fall steht dem rumänischen Vater in Irland die dortige Beihilfe NICHT zu. Denn Artikel 68 (2) der EU-Verordnung 883/2004 besagt, dass ein Staat in einen anderen Staat keine Familienleistung überweisen muss, wenn es reine Wohnort-Wohnort-Konstellationen gibt. Nur, wenn die Mutter arbeitet und ihr die Familienbeihilfe zusteht, gäbe es einen Anspruch aus Irland – eine Differenzzahlung. Doch auch diese Zahlung muss ausgeschlossen werden, wenn das gemeinsame Einkommen der Eltern die Einkommensgrenze sprengt und der Anspruch auf die rumänische einkommensabhängige Familienbeihilfe erlischt.

Der hohe Gerichtshof hat zwar dem Rumänen die Familienbeihilfe zugesprochen, rein rechtlich wird hier der Artikel 68 der EU-Verordnung 883/2004 nicht berücksichtigt, zumal der Gerichtshof den Artikel anders deutete. Theoretisch müsste der Rumäne die Familienbeihilfen von Irland wieder zurückzahlen. Denn auch seine Invalidenrente würde unter dem Gesichtspunkt des EuGH keine Familienbeihilfe rechtfertigen.

Niederlage für EU-Kommission

Faktisch hat die Entscheidung des EuGH gravierende Folgen, die bis dato noch niemand verstanden haben dürfe. Vor allem für EU-Kommissarin Marianne Tyssen, die stets getrommelt hat, dass jemand, der in ein soziales System einzahle, aufgrund dieser Tatsache Familienleistungen erhalten darf, ist dieses EuGH-Urteil eine schwere Niederlage!

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