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29. Juli 2010 / 09:02 Uhr

Wer und was steckt hinter der Zuwanderungs-Debatte?

Bei der Befehlsausgabe in Brüssel dürfte es in den letzten Wochen wohl irgendwann „Mehr Zuwanderung“ geheißen haben. Sonst wäre diese Parallelität der Debatten in den beiden EU-Musterschülerländern Österreich und Deutschland kaum erklärbar. Hier ist es Außenminister Spindelegger (ÖVP), der sich aus heiterem Himmel 100.000 Ausländer mehr wünscht, dort verlangt Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) eine „Willkommenskultur“ mit erleichterter Visavergabe für die Ehepartner ausländischer Akademiker.

Die bunte Republik braucht mehr Migranten

Seit dem Auftreten der deutschen Nationalelf in Südafrika und Christian Wulffs unpassenden Worten anlässlich seines Amtsantritts als Bundespräsident glaubt die politische Klasse Deutschlands, sie befinde sich in einer „bunten Republik“ anstatt in der Bundesrepublik. Logisch, dass die CDU-Politikerin Schavan dieses schräge Bild, das bewusst alle negativen Folgen von Masenzuwanderung ignoriert, auch verwendet. Und die FDP geht noch einen Schritt weiter, indem ihr Arbeitsmarkt-Experte Vogel die Deutschen auffordert, endlich von ganzem Herzen zu wollen, was sie dringend brauchen, nämlich mehr Zuwanderung.

Außenminister Michael SpindeleggerWährend es in Deutschland den Linken vorbehalten ist, diesem Unfug entgegen zu treten – nicht weil sie die bunte Gesellschaft stört, sondern aus Angst um Arbeitsplätze -, so spricht in Österreich die FPÖ Tacheles und hält auch auf jener Ebene dagegen, auf der die Einwanderungspolitiker ihre stärksten Argumente vermeinen: in der Frage der demographischen Entwicklung. Außenminister Spindelegger (Bild rechts) hatte sein Werben um 100.000 angebliche Fachkräfte, die sogar unser Rechtssystem akzeptieren sollen, ja in erster Linie durch eine schrumpfende einheimische Bevölkerung und das folglich nicht mehr finanzierbare Pensionssystem begründet.

Die demographische Diskussion verliert auf Seiten der Regierung schon dadurch an Seriosität, dass immense Einsparungen bei der Familienförderung bereits beschlossene Sache sind. FPÖ-Chef HC Strache fordert daher auch Voraussetzungen, dass die 100.000 nicht im Wege der Einwanderung, sondern als zusätzlich geborene österreichische Kinder kommen. Dazu bedürfe es eines Familiensteuermodells, wo Haushalte mit nur einem Einkommen dieses auf die Zahl der Personen in der Familie aufteilen können und somit jene besonders begünstigt sind, die mehrere Kinder haben.

Zuwanderer sind keine Nettozahler

Diese Diskussion zu führen, ist die Regierung vorerst nicht bereit. Man versteift sich auf Zuwanderung und preist ihre Rettungsfunktion fürs Sozialsystem, was Strache als Märchen abtut. Zuwanderer seien keine Nettozahler, weil bei ihnen Erwerbsquote und Bildungsgrad wesentlich niedriger seien. Dies bestätigen auch die Forschungen des deutschen Bevölkerungswissenschafters Herwig Birg.

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Natürlich wäre es eine Variante, wirklich qualifizierte Zuwanderer ins Land zu holen – Spitzenkräfte aber, und nicht bloß Fachkräfte. Gleichzeitig müsste jedoch endlich der Strom von halb oder gar nicht Gebildeten gestoppt werden, die immer noch im Wege des Familiennachzugs ins Land kommen und hier unser Sozialsystem belasten. Angesichts dieser Politik und der zu ihrer Finanzierung nötigen immensen Steuer- und Abgabenquote vergeht den Spitzenkräften nämlich die Lust, nach Österreich einzuwandern. Auch mit der Rot-Weiß-Rot-Karte wird man daher nur die zweite oder dritte Garnitur anlocken können, die beim kleinsten Wirtschaftseinbruch die Arbeitslosenstatistik auffüllt.

Wirtschaft will frische Arbeitskräfte

Woher der Wind weht, war aber spätestens klar, als auch Wirtschaftsminister Mitterlehner und die Industriellenvereinigung begeistert in die Einwanderungsdebatte eingestiegen sind. Es geht darum, die Versäumnisse der heimischen Wirtschaft in der Ausbildung von Fachkräften wieder durch Ausländer zu kompensieren, sobald der Konjunkturmotor anspringt und wieder mehr Arbeitsplätze zu besetzen sind. Die Heerscharen an wenig qualifizierten Migranten im Land, die auch dann nicht vermittelbar sein werden, sind ihnen naturgemäß egal, denn die liegen dem Staat auf der Tasche und nicht der Wirtschaft – ebenso wie die nun angelockten Neuankömmlinge, sobald die Hochkonjunktur zu Ende ist.

In der aktuellen Unzensuriert-Umfrage sind übrigens derzeit 91 Prozent der Meinung, dass Österreich keine 100.000 zusätzlichen Einwanderer braucht. Zusätzlich hat sich unter den Lesern eine spannende Diskussion entsponnen, zu der auch dieser Artikel einen Beitrag leisten soll.

Foto: Evstaviev

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