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20. Juni 2010 / 10:04 Uhr

Bekommt Google das Monopol auf Wissen?

Der US-Konzern Google wird in den nächsten 6 Jahren 400.000 Bücher aus der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) digitalisieren. Neben Harvard, Oxford oder der Bayrischen Nationalbibliothek geraten nun auch heimische Wissensbestände in die krakenartigen Fänge des Suchmaschinenkonzerns.

Johanna Rachinger - Österreichische Nationalbibliothek120 Millionen Seiten aus urheberrechtsfreien Werke der Bibliothek vom 16. bis Mitte des 19. Jahrhunderts (Ausnahme: Bücher mit konservatorischen Bedenken) werden bis 2011 gescannt, digitalisiert und den Benutzern im Volltext zum Herunterladen angeboten. ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger (Bild rechts) zeigt sich über die Public-Private-Partnership sehr zufrieden, weil den österreichischen Steuerzahlern 30 Millionen Euro erspart würden.

Kritiker wie die Interessensgemeinschaft Autorinnen und Autoren sehen hingegen die „Verwertungswege der österreichischen Buchwirtschaft unterlaufen“ und fordern eine sofortige Offenlegung des Vertrags zwischen der Bibliothek und Google. Die Autoren finden es zudem „degoutant“, dass der Suchmaschinenbetreiber die Werke, die die Nationalbibliothek im Wege der Pflichtablieferung kostenlos und honorarfrei bezogen hat, geliefert bekommt.

Noch mehr Daten – noch mehr Werbung

Gegenwärtig betreibt Google das Projekt mit 26 großen Bibliotheken weltweit. Ingesamt werden bis zu Fertigstellung 30 Millionen Bücher gescannt. Auch wenn die Digitalisierung eine Renaissance der wissenschaftlichen Kommunikation und Forschung bringen wird, so sind wesentlich komplexere Fragen bislang ungeklärt. Warum macht Google das? Das Kerngeschäft besteht sicherlich nicht aus der Aufbereitung historischer Bücher für wissenschaftliche Forschungszwecke, sondern aus Online-Werbung. Es geht also letztlich darum, die von Google gesammelten gigantischen Datenberge noch weiter anzuhäufen, um Nutzerverhalten noch genauer zu analysieren und dem Konsumenten das richtige Produkt der richtigen Firma in unmittelbarer Umgebung anzupreisen. Damit sichert sich das Unternehmen seine Position als Marktführer ab.

Urheberrecht – von gestern

Bücher aus der Österreichischen NationalbibliothekEin weiterer Kritikpunkt: Die Digitalisierung führt sämtliche Urheber- und Nutzungsrechte ad absurdum. In den USA darf Google laut einer jüngsten Einigung bereits urheberrechtlich geschützte Bücher scannen und auszugsweise längere Passagen ins Internet stellen. Autoren würden durch eine pauschale Entschädigungssumme von ihrem geistigen Eigentum zwangsbefreit. In Europa sollen bisweilen nur Bücher eingescannt werden, die urheberrechtsfrei sind. Die EU will jedoch eine amerikanische Regelung. Wie genau der von Google gesteckte Rahmen eingehalten wird, zeigt ein Fall aus Frankreich. Dort wurde Google zu einer Strafzahlung von 300.000 Euro verurteilt, weil es schätzungsweise 100.000 geschützte Bücher ohne Genehmigung digitalisiert hatte.

Das in wissenschaftlichen Kreisen verpönte Copy&Paste dürfte durch die Massendigitalisierung bedeutender literarischer Werke wieder neuen Aufschwung bekommen. Schutzmechanismen zur Vermeidung von digitalen Plagiaten existieren de facto nicht oder müssen kostenaufwendig programmiert werden.

Unklare Nutzungsrechte – Vertrag als Gefahrenherd

Schließlich ist der für die Öffentlichkeit unsichtbare Vertrag zwischen Google und der Nationalbibliothek ein weiterer Gefahrenherd. Wie sehen die Nutzungsrechte Dritter aus? Dürfen kleine Bibliotheken, die aufgrund der prestigeträchtigen Digitalisierungswelle ernorm unter Druck stehen, keine solchen Werke mehr beziehen? Wäre es nicht verantwortungsvoller, das heimische Kulturgut durch im Inland ansässige weltmarktführende Firmen zu digitalisieren, die nicht nur für ihre Seriosität bekannt sind, sondern womöglich auch preisgünstiger scannen?

Fotos: Österreichische Nationalbibliothek

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