Die österreichische Justiz war bereits vor der Coronavirus-Krise personell und organisatorisch am Limit. Das völlige Herunterfahren der Justizverwaltung und Gerichtsbarkeit hat nun vor allem im Bereich der Strafrechtspflege zu einem massiven Rückstau geführt. Aktuell warten allein am Landesgericht für Strafsachen in Wien nicht weniger als 1.700 Strafprozesse auf einen Termin im Gerichtssaal. Bei einzelnen Strafrichtern stapeln sich bereits die Akten für 40 bis 50 offenen Verfahren. Allein 28 Geschworenenprozesse stehen am Wiener Straflandesgericht zur Durchführung an.
Derzeit ist die gesamte Strafrechtspflege auf absoluten Notbetrieb heruntergefahren. Derzeit werden lediglich Verhandlungen durchgeführt, wo es um die Einhaltung von Haftfristen geht. Am Straflandesgericht geht man davon aus, dass nicht vor Juni eine Wiederaufnahme der Gerichtsbarkeit erfolgen kann.
Sommer könnte Strafverfahrens-Marathon bedeuten
Für Staatsanwälte, Richter, Geschworene und Schöffen, aber auch Anwälte und Angeklagte könnte es so zu einem „heißen Sommer“ im wahrsten Sinne des Wortes kommen. Will man den sich täglich vergrößerten Rückstau ab Juni in den Griff bekommen, so steht während der Sommermonate Juli und August ein Strafverfahrens-Marathon bevor.
Kenner der österreichischen Strafgerichtsbarkeit gehen davon aus, dass es mindestens bis Ende dieses Jahres dauern könnte, bis man halbwegs wieder im Plan ist. Dabei könnte sich die in den letzten zehn Jahren erfolgte Ausdünnung und Schwächung der Justiz unter ÖVP-Ministern rächten.