Die Bundesregierung liefert derzeit ein Schulbeispiel ab, wie man im Grunde unpopuläre, unterdrückende Maßnahmen so aufbereitet, dass sie von den Bürgern – geradezu bereitwillig – akzeptiert werden.
Kommentar von Dr. Susanne Fürst
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ An dieses entlarvende und schaurige Zitat des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker muss ich derzeit sehr oft denken. Was, wenn Bundeskanzler Kurz und seine türkis-grüne Bundesregierung sich ab und an dieser Methode aus den Brüsseler Kreisen bedienen?
Einrichtung eines digitalen Krisenstabs beim Bundeskanzleramt
Im Bundeskanzleramt (BKA) wurde laut einer APA-Meldung am 20. März ein „digitaler Krisenstab“ unter der Leitung des Medienbeauftragten des Bundeskanzlers, Gerald Fleischmann, eingerichtet. Seine Aufgaben: einerseits die Information der Bevölkerung über das Virus und wie man sich davor schützen kann und andererseits das Aufspüren von Falschinformationen im Internet, deren Kennzeichnung und Richtigstellung. Zur Erfüllung der Aufgabe werden zehn Polizeischüler herangezogen, welche bereits seit Mitte März „rund um die Uhr“ nach Falschinformationen suchen. Zusätzlich können sich die Vertreter der österreichischen Medien untereinander und gemeinsam mit dem Krisenstab im BKA in einem einzurichtenden „Aufdeckernetzwerk“ über aktuell kursierende Falschinformationen austauschen.“
Begleitet wurde die APA-Meldung von kurzen Berichten im ORF und dem Rauschen im Blätterwald, welches zum Großteil völlig unkritisch den Inhalt der APA-Meldung übernahm. Die wenigen kritischen Stimmen gingen unter. Der erste Schritt im Sinne von Jean Claude Juncker gelang einmal!
Taktisches Aufbereiten des „Kampf gegen Fake News“
Vorbereitet wurde das Thema in den Tagen vorher sehr sorgsam; es wurde in den Medien und von den Politikern ein Bild vom „bösen Internet“ und insbesondere von den „bösen Messengerdiensten“ gezeichnet, welche in die Schranken zu weisen seien. Sie würden gerade in diesen Zeiten Panik verbreiten und geradezu „Leben gefährden“. Eine kleine Auswahl der Aussagen, welche das Terrain aufbereiteten:
- Am 18. März sprach man im Studio 2 im ORF über die unzähligen Corona-Fake-News im Internet. Der ORF würde genau checken, bevor er Beiträge sende, aber es gäbe eben nicht nur solchen Qualitätsjournalismus. Ein aus dem News-Room der ZiB zugeschalteter junger Mann meint, es gebe so viele falsche Informationen in Social Media und besonders in Messenger-Diensten. Man solle daher nur den offiziellen Behörden und glaubwürdigen Medien vertrauen. Die ZiB sei seit Jahrzehnten eine vertrauenswürdige Quelle, dieser solle man weiter vertrauen. Zu meiden seien Quellen, von denen man bisher nichts hörte.
- Am 19. März ein ORF-Beitrag mit einem Interview von Andre Wolf (von Mimikama, ein Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch). Er spricht von Kettenbriefen und WhatsApp-Mitteilungen, welche Halbwahrheiten, Spekulationen, unangebrachte Satire und – am schlimmsten – politisch motivierte Verschwörungstheorien verbreiten würden. Diese seien sehr gefährlich, da sie darauf abzielen, den demokratischen Staat zu destabilisieren.
- Die Medien sendeten ergänzend veröffentlichte Statements der WHO („Informationsepidemie“) und der EU-Kommission („gezielt gestreute Falschnachrichten“), welche ebenfalls gegen Fake News entschieden vorgehen wollen. EU-Vizekommissionschefin Vera Jourova fordert, man müsse „zuverlässige Nachrichtenquellen“ prominenter darstellen und „verbotene oder schädliche Inhalte entfernen“.
Assistiert wurden die gefälligen Beiträge in den Medien von laufenden Bemerkungen des Bundeskanzlers und von Regierungsmitgliedern, dass man den vielen Falschmeldungen und Gerüchten im Netz keinen Glauben schenken solle. Man solle sich an die seriösen Medien halten und es sei hoch an der Zeit, den Kampf gegen Falschinformationen im Netz anzugehen (parallel zum laufend bearbeiteten Dauerthema „Hass und Hetze im Netz“). Die Mitglieder unserer Regierung drückten sich allerdings wesentlich eleganter aus als der deutsche SPD-Innenminister von Niedersachsen, Boris Pistorius, der Menschen, die Falschinformationen verbreiten, „hart bestrafen will“(!).
Es geht um Macht und Kontrolle
Wenn man das Offensichtliche und das, was zwischen den Zeilen zu lesen ist, zusammenzählt, ergibt sich folgende Bild. Der beschränkte Bürger, welcher einer unübersichtlichen Welle von bösen Falschinformationen ausgesetzt ist, kann zwischen vertrauenswürdigen und unseriösen Quellen nicht unterscheiden. Er muss an die Hand genommen werden und vom Staat – vor zu viel Freiheit – beschützt werden. Die Meinung muss ihm gut vorgekaut und verordnet werden. Und am besten erfährt er gar nicht, dass es noch andere Meinungen gibt, denn das verwirrt ihn nur unnötig. Es ist ja nicht so, dass dieser Ansatz etwas Neues ist. Man denke etwa an Metternich (er arbeitete und lebte übrigens auch am Ballhausplatz im Gebäude des BKA), die DDR und die ehemaligen Ostblockländer (der Empfang westlicher Medien galt als Feindpropaganda), China oder die Türkei. Alle eint das Streben nach einem möglichst weitgehenden Medienmonopol. Denn dies bedeutet Macht und Kontrolle.
Man bedient sich daher solcher Medien, die von Politik, Regierung und Staat abhängig oder ihnen nahe stehend sind. Gerade öffentlich-rechtliche Medien werden aufgrund der Staatsnähe, Gebührenfinanzierung und der gesetzlichen Einrichtung als seriös und glaubwürdig präsentiert. Hier können die Botschaften platziert werden: „Hört auf uns! Dann sind wir – das Team Österreich – bald wieder aus der Krise“.
Unabhängige Medien sind verdächtig
Finanziell unabhängige Medien hingegen gelten als verdächtig, werden als reißerisch, tendenziell unseriös und gefährlich dargestellt. Es sollen jene Kanäle, auf die der Staat nur sehr schwer Zugriff hat, in Verruf, unter seine Kontrolle gebracht oder eingeschränkt werden. Auf die Sozialen Medien wie Facebook kann die Regierung über Umwege noch politischen Druck ausüben und interne Löschkommandos anregen; doch besonders im Wege sind die Messenger-Dienste wie WhatsApp und Telegram, da hier wirklich privater Austausch mit vielen Menschen möglich ist. Daher fließen diese Dienste immer wieder in besorgte Statements von Politikern ein.
Die Andeutungen oder vielmehr schon konkreten Maßnahmen und der ständige „Sprech“ vom notwendigen Kampf gegen Fake News (und parallel gegen Hass und Hetze) zielt direkt ab auf die Beschneidung der Meinungsfreiheit. Es ist völlig irrelevant, ob diese Behauptungen, Meinungen, Theorien oder Spekulationen im Internet richtig oder falsch, dumm oder intelligent, realistisch oder absurd sind; sie müssen geäußert werden dürfen. Und wenn ich der Meinung bin, dass Mickey Mouse Corona in die Welt gesetzt hat, darf ich das überall sagen, schreiben, veröffentlichen und über WhatsApp verbreiten. Wenn ich das nicht darf, haben wir Zensur, staatliche Willkür und Meinungsunterdrückung.
Sieg von Argumenten
Selbstredend gibt es zum Thema Corona neben den unterschiedlichsten Meinungen von Wissenschaftlern zur Entstehung und sinnvollen Bekämpfung des Virus eine Unzahl von Gerüchten, Falschinformationen (oder solche, die sich als falsch herausstellen), fragwürdigen Tipps oder Geschmacklosigkeiten im Internet. Doch diese Nachrichten gibt es überall (Zeitung, Radio, Fernsehen, Diskussionen, bloßes Gespräch), niemand hat die Wahrheit gepachtet.
Und natürlich zählt es zu den Aufgaben der Regierung und des Gesundheitsministers, einer Meinung zu folgen und darauf basierend Maßnahmen zu setzen. Sie müssen ihr Vorgehen sachlich, umfassend und verständlich kommunizieren. In ihren Statements, Aussendungen und eigenen Botschaften in den Sozialen Medien haben sie Gelegenheit, auf Fragen der Bevölkerung und auch auf angebliche Fake News einzugehen und diese zu widerlegen. Gerade unpopuläre, die Freiheit der Bürger und die Wirtschaft gefährdende Maßnahmen müssen besonders fundiert vermittelt werden. Dies kann durchaus mittels eines digitalen Krisenstabs im BKA geschehen. Doch die Einsetzung einer Wahrheitspolizei ist völlig fehl am Platz. Der Sieg muss mit Argumenten gelingen und nicht mit dem Verbieten oder Tilgen von Meinungen, welche dem Regierungshandeln widersprechen.
Wenn Interviews einfach verschwinden
Es muss zum Beispiel möglich sein, dass ein sehr prominenter Virologe in einem Interview äußert, dass das Virus einem chinesischen Labor für biologische Kriegswaffen entschlüpft sein könnte. Ohne jede Bewertung des Inhaltes ist es ein Skandal, dass das Interview aus dem Internet verschwand und sich das Print-Medium – der Kurier – davon distanzierte. Wir sind mündige Bürger, wir können mit Informationen verschiedenster Natur umgehen. Oder galt der eigentliche Ärger der Aussage des Virologen in eben diesem Interview, dass Österreich – nach dem Vorbild Orbàns – die Grenzen früher schließen hätte sollen?
Es muss auch weiterhin möglich sein, dass Wissenschaftler – oder auch Laien – „von einem ganz normalen Winter mit der herkömmlichen Grippewelle“ sprechen, ohne dass sofort ein Bann über sie verhängt wird.
Wir müssen sehr achtsam sein, dass die Juncker-Methode in dieser Phase, in der das gesellschaftliche Leben gelähmt ist und das Thema Corona alles überschattet, nicht gelingt. Es muss verhindert werden, dass die Pflöcke einer nachhaltigen Einschränkung der Meinungsfreiheit und des freien Informationsaustauschs für alle Zukunft eingeschlagen werden.
Die „Fake News“ der Bundesregierung
Nicht zuletzt verbreitet die Bundesregierung selbst – gelegentlich – Fake News:
- Die grüne Klubobfrau Maurer und Innenminister Nehammer empörten sich unisono über „Gerüchte“ in den Sozialen Medien, dass Ausgangssperren bevorstehen würden. Am nächsten Tag wurden die Beschränkungen bekanntgegeben.
- Die veröffentlichte Verordnung des Gesundheitsministers, dass ab sofort jeder zur Tele-Arbeit im Home-Office verpflichtet sei. Gesundheitsminister Anschober ruderte zurück.
- Zu Beginn der Krise betonte die Regierung unter Berufung auf Experten, dass die Gesichtsmasken nicht helfen würden. Hier würde ein falsches Sicherheitsgefühl vermittelt. Dass dies in China, Südkorea, USA, Tschechien, Slowakei und in vielen Ländern anders gesehen wird, interessierte die Regierung und insbesondere den Gesundheitsminister wenig. Er wusste es besser. Hier wurde sehr viel wertvolle Zeit vergeudet. Nunmehr wurden Tonnen von Masken angefordert.
- Desgleichen hielt die Bundesregierung die längste Zeit nicht viel von den Corona-Tests. Sie seien „nicht zielführend und man müsse noch auf technische Neuerungen warten“; selbst Personen mit den typischen Symptomen kamen zu keinem Test. Nun heißt die Devise: Testen, testen, testen!
- Bundeskanzler Kurz, der kürzlich meinte: Es seien nicht die Maßnahmen der Bundesregierung, welche die Wirtschaft schädigen würden. Nein, es sei das Virus! Doch eine sehr gewagte Aussage!
Niemand ist im Besitz der Wahrheit. Ein Kampf gegen angebliche Fake News, welcher von Regierungsseite betrieben wird, geht von der Annahme aus, dass die Regierung im exklusiven Besitz der Wahrheit sei. Das halte ich – mit Verlaub – für ein Gerücht.
Dr. Susanne Fürst ist Rechtsanwältin und seit 2017 Nationalratsabgeordnete der FPÖ. Im Freiheitlichen Parlamentsklub ist sie Obmannstellvertreterin und für die Bereiche Verfassung, Menschenrechte und Geschäftsordnung verantwortlich. Fürst schreibt für unzensuriert regelmäßig die Kolumne „Rechtsansicht“.