Sitzung im Abgeordnetenhaus des Reichsrats in Wien 1907.

18. November 2019 / 08:50 Uhr

Die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ – Teil 2

Die Freiheitliche Partei Österreichs wurde am 7. April 1956 im Rahmen eines Gründungsparteitages ins Leben gerufen. In
ihrem Namen trägt sie das Wort „Freiheit“, das als Grundelement der Programmatik gilt. Die Wurzeln dieser national-freiheitlichen
Gesinnungsgemeinschaft gehen aber bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. In unserer neuen Serie beleuchten wir
die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ:

Teil 2: Die stärkste Kraft im österreichischen Reichsrat
Die nationalliberalen Parteien und der Parlamentarismus unter Franz Joseph I.

In den letzten Jahren des Absolutismus in der österreichischen Habsburgermonarchie kam es nach dem verlorenen Krieg gegen Frankreich und Sardinien-Piemont 1859 sowie dem Verlust von Gebieten in Italien zu einem innenpolitischen Tauwetter. Bürgerliche Vereine und Studentenverbindungen erhielten Zulauf, wobei diese zur Basis des nationalliberalen Lagers werden sollten. Der beratende Reichstag wurde um Mitglieder der neuen Landtage erweitert und 1860 durch das Oktoberdiplom gestärkt. Die Liberalen unter Staatsminister Anton Ritter von Schmerling strebten aber eine echte parlamentarische Verfassung an. So kam es 1861 zum Februarpatent, das für die gesamte österreichische Monarchie galt und den Reichsrat zu einem Parlament mit  Gesetzgebungskompetenz machte.

Nach der Niederlage Österreichs gegen Preußen bei Königgrätz 1866 und der daraus resultierenden politischen Verdrängung Österreichs aus Deutschland musste Kaiser Franz Joseph I. 1867 den Ausgleich mit Ungarn zulassen. Für die österreichische Reichshälfte der neu gebildeten Doppelmonarchie Österreich-Ungarn – die „im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ – wurde die Dezemberverfassung von 1867 erlassen und ein eigenes Parlament, der Reichsrat in Wien, eingerichtet.

Im österreichischen Reichsrat waren die Nationalliberalen die weitaus stärkste Kraft. Sie befanden sich in Gegnerschaft zu den Katholisch-Konservativen. Darüber hinaus schürte ihr Eintreten für die deutschsprachige Bevölkerung der Monarchie den Konflikt mit den Slawen. Denn seit dem Krieg mit Preußen 1866 war Österreich vom größten Teil des deutschen Sprachraums abgetrennt, obwohl die Habsburger in deutschen Angelegenheiten über Jahrhunderte eine führende Rolle gespielt hatten. Plötzlich standen die deutschsprachigen Österreicher in Österreich-Ungarn einer Mehrheit nicht deutscher Völker gegenüber. Es entwickelten sich daher mehrere nationalliberale Parteien, die in Summe immer die Mehrheit im österreichischen Reichsrat stellten – aber auch zerstritten waren. Daher kann man das nationalliberale Lager von Anbeginn an als tragende Kraft des österreichischen Parlamentarismus bezeichnen.

Eine seiner prägendsten Persönlichkeiten war Georg Ritter von Schönerer, der als Sozialreformer auftrat. Zu seinen politischen Schülern und Mitstreitern gehörten Karl Lueger, der Begründer der christlichsozialen Bewegung, sowie Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer, die Gründer der Sozialdemokratie. Letztere waren übrigens auch Burschenschafter. Schönerer radikalisierte sich
zunehmend. Ihm und seiner Alldeutschen Vereinigung stand allerdings eine Reihe gemäßigter nationalliberaler Politiker wie etwa Otto Steinwender gegenüber.

Die nationalliberalen Kräfte in Österreich setzten sich aber auch besonders für das allgemeine Wahlrecht ein, das 1907 erstmals als allgemeines, gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht für alle Männer zur Anwendung kam. Das nationalfreiheitliche Lager trat jedoch gleichzeitig auch für den Bestand Österreich-Ungarns ein und zog schließlich für Kaiser und Vaterland in den Ersten Weltkrieg.

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