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18. August 2010 / 08:03 Uhr

Gegen Strache ist die Justiz blitzschnell

So schnell kann’s gehen: Ein Sendungsverantwortlicher, der die Ereignisse auf einer Wahlveranstaltung in Wiener Neustadt am 12.3.2010 nur vom Hörensagen kennt, zeigt FPÖ-Obmann HC Strache wegen falscher Zeugenaussage und Verleumdung an, und prompt verlangt die Staatsanwaltschaft Straches Auslieferung. Die Anzeige des Schauplatz-Leiters Christian Schüller datiert vom 19. Mai 2010. Drei Monate sind eine ziemlich kurze Frist, wenn man weiß, in welcher Geschwindigkeit die Justiz sonst gegen Politiker ermittelt.

Schüller bezieht sein Wissen über den Vorfall, als bezahlte Nazi-Statisten vom ORF auf eine FPÖ-Veranstaltung kutschiert und für ihren Auftritt entlohnt worden sein sollen, wohl überwiegend von seinem ergebenen Polit-Redakteur Ed Moschitz, der die Reportage arrangiert hat und für den die Unschuldsvermutung gilt. Trotzdem ist der Staatsanwaltschaft die Anzeige so wichtig, dass sie Straches Auslieferung verlangt und auch ankündigt, sie werde – falls diesem Wunsch nicht entsprochen wird – keine weiteren Ermittlungsschritte in dem Verfahren gegen ORF-Redakteur Moschitz und die ebenfalls angezeigten Skinheads setzen. Für solche Drohungen gibt es juristisch auch einen Tatbestand, der aber natürlich nur erfüllt ist, wenn er nicht von Staatsanwälten gesetzt wird und daher – zur Vermeidung allfälliger Verfolgungshandlungen unserer Webseite durch die Staatsgewalt – hier nicht namentlich genannt wird.

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Die Justiz liefert mit ihrem Vorgehen den nächsten Beweis für die Ungleichbehandlung von Politikern, abhängig von ihrer Zugehörigkeit zu Regierungs- oder Oppositionsparteien. Dies zu belegen, gelang vor kurzem einem Untersuchungsausschuss des Nationalrats. Die Erkenntnis dürfte jedoch trotz vollmundiger Ankündigungen der Justizministerin nicht zur nachhaltigen Einsicht bei den Strafverfolgungsbehörden geführt haben. Denn:

Alleine aus unserer journalistischen Arbeit bei Unzensuriert.at wissen wir, dass gegen zumindest drei hochrangige Regierungspolitiker teilweise schon länger als ein Jahr Sachverhaltsdarstellungen bei der Staatsanwaltschaft liegen, die bis dato zu keinem Auslieferungsbegehren geführt haben, obwohl die „Anzeiger“ ganz offensichtlich mehr Einblick in die Materie hatten als Herr Schüller in den von seinem Kollegen Moschitz verursachten Medienskandal. Da wären also:

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Werden von der Justiz geschont: Bildungsministerin Schmied, Gesundheitsminister Stöger und Nationalratspräsidentin Prammer (alle SPÖ, von links): Gegen alle drei Politiker liegen seit geraumer Zeit Sachverhaltsdarstellungen bei der Staatsanwaltschaft.

1.) Eine Sachverhaltsdarstellung in Zusammenhang mit den milliardenschweren Malversationen der im Dezember 2008 notverstaatlichten Kommunalkredit-Bank. Eine der Betroffenen ist die heutige Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ), die im Vorstand dieser Bank tätig war. Eingebracht wurde die Anzeige am 16. März 2009 durch die FPÖ-Abgeordneten Graf, Vilimsky, Hofer, Belakowitsch-Jenewein und Hönigshofer. Bisher ist kein Ergebnis der Ermittlungen bekannt, sofern es überhaupt (noch) welche gibt.

2.) Eine Sachveraltsdarstellung gegen Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung, Körperverletzung und Gemeingefährdung durch die unterlassene Warnung der Bevölkerung vor den tödlichen Listerien in Quargel-Käse aus steirischer Produktion, eingebracht von FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein am 19. Februar 2010. Bisher keine Ermittlungen bekannt.

3.) Eine Sachverhaltsdarstellung über die Neuerstellung der Webseite des Parlaments wegen Verdachts der Umgehung des Vergabegesetzes durch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), eingebracht durch FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl am 1. Juni 2010. Bisher kein Auslieferungsbegehren, keine Ermittlungen bekannt. Unseren Informationen zufolge ist Prammer mit weiteren Anschuldigungen konfrontiert, weil sie sich seit Jahren weigert, die durch das baufällige Parlamentsgebäude bestehenden Gefahren für Leib und Leben zu beseitigen. Auch hier wurde der Sachverhalt der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht – auch hier gibt’s keine sichtbaren Ermittlungshandlungen und kein Auslieferungsbegehren.

Das Verspekulieren von Milliarden, der Tod von neun Menschen, der sorglose Umgang mit Steuergeld und die Gefährdung sämtlicher Mitarbeiter und Besucher des Parlaments sind natürlich Kleinigkeiten im Vergleich mit einem Verleumdungsvorwurf eines linken ORF-Redakteurs zur Rettung des eigenen Jobs und des Rufs der Firma. Vor allem, wenn in Wien bald Wahlen sind.

Fotos: Manfred Werner – Tsui (2), Privat, Fotomontage: Thorben Wengert / Pixelio.de

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