Die FPÖ hat heute im Parlament einen Untersuchungsausschuss beantragt. Nach dem mannigfaltigen Versagen der Justiz im Fall Kampusch soll nun das Parlament dazu beitragen, die Causa restlos aufzuklären und abzuschließen. Das Tätigwerden des Parlaments ist für die FPÖ deshalb notwendig, da derartige Pannen in Zukunft im Sinne der Rechtssicherheit verhindert werden müssen, um das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat wieder herzustellen.
Der heftigste Kritikpunkt an der Justiz ist das beharrliche Festhalten an der Einzeltäter-Theorie. Die Strafverfolgungsbehörden gehen nach dem Motto vor: "Ein Opfer, ein toter Täter also Deckel drauf und ruhig wird’s im Land" und verschließen sich vor den Fakten. So hat es die Behörde verabsäumt, eine Rufdatenrückerfassung durchzuführen um zu klären, mit wem der Entführer Priklopil nach Kampuschs Flucht Kontakt aufgenommen hat. Ebenso wurde eine Gegenüberstellung der Entführungszeugin mit Kampusch sowie dem Geschäftspartner von Priklopil, Ernst H., entgegen der üblichen Vorgehensweise in vergleichbaren Fällen unterlassen.
Der FPÖ-Abgeordnete Werner Neubauer, der den U-Ausschuss beantragte, wies auch darauf hin, dass Ernst H. einen "Abschiedsbrief" Priklopils präsentiert habe, der mehr graphologische Ähnlichkeiten mit seiner eigenen Handschrift aufweise, als mit der Handschrift des vermeintlichen Schreibers. Auch Geldtransfers von Priklopil ins Ausland sowie der angeblich gefälschte Abschiedsbrief des Entführers wurden nicht mit der gebotenen kriminaltechnischen Sorgfalt untersucht.
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Diese und andere brisante Vorwürfe wurden durch ein Schreiben des ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Dr. Johann Rzeszut, an die Klubobleute der im Parlament vertretenen Parteien herangetragen. Akuter Anlass für das Schreiben war der mutmaßliche Selbstmord des in dieser Sache ermittelnden Polizeioberst Franz Kröll. So wie Rzeszut hat sich auch schon der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs Ludwig Adamovich an die Öffentlichkeit gewendet, um Ermittlungsfehler im Fall Kampusch aufzuzeigen und hat hierfür eine erstinstanzliche Verurteilung am 24. Dezember 2009 wegen übler Nachrede erhalten.
Die Ungereimtheiten sollen nach dem Willen der Freiheitlichen durch das Parlament aufgearbeitet werden, denn eine Republik könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn sich zwei verdiente Höchstrichter mit Hilferufen an die Öffentlichkeit wenden müssen, um die Behörden zum Handeln zu bewegen. Immerhin könne durch das fehlerhafte Vorgehen von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Täter unbehelligt bleiben.
Foto: Gnal / Flickr