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19. Feber 2011 / 22:40 Uhr

Albanien 20 Jahre nach dem Bürgeraufstand

 Denkmal von Enver HodschaExakt 20 Jahre ist es jetzt her, dass die Unruhen gegen die kommunistische Regierung in Albanien ihren Höhepunkt erreichten. Am 20 Februar 1991 stürzte die aufgebrachte Menge in Tirana das Denkmal des ehemaligen Staatspräsidenten und Despoten Enver Hodscha von ihrem Sockel und leitete damit das Ende der seit 1945 andauernden Hegemonie der kommunistischen Partei in Albanien ein.

Darauf folgende Generalstreiks erzwangen schließlich den Rücktritt der Regierung und 1992 eine Neuwahl, aus der die Demokratische Partei (PD) erfolgreich hervor ging. Radikale Wirtschaftsreformen der neuen Regierung trieben das ohnehin darnieder liegende Land jedoch nur noch weiter ins Chaos. 

Ein Land kommt nicht zur Ruhe

Denkmal von Enver Hodscha

Denkmal von Enver Hodscha

Ein Denkmalsturz leitete den politischen Umschwung ein.
Foto: Only Tradition / flickr

Bis heute steht der Balkanstaat permanent am Rande eines Bürgerkriegs, die rivalisierenden politischen Lager sind tief zerstritten. Chaos, Korruption und Kriminalität prägen den Alltag. Zuletzt forderte am 21. Jänner in der Hauptstadt Tirana eine von den oppositionellen Sozialisten angezettelte gewaltsame Demonstration 3 Todesopfer. Autos wurden in Brand gesteckt, die Polizei mit Steinen beworfen. Weiters wurde versucht, das Regierungsgebäude zu stürmen. Mit dem Mittel der Gewalt versuchen die Sozialisten vehement, die Regierung zum Rücktritt zu nötigen und einen politischen Umsturz einzuleiten.

Albanien als Ausgangspunkt organisierter Kriminalität

Die albanische Gesellschaft ist bis heute durch archaische Strukturen geprägt, in denen mächtige Familienclans eine wesentliche Rolle spielen. Geschickt nutzten diese Clans die Wirren nach dem Zusammenbruch des stalinistischen Hodscha-Regimes dazu aus, mafiöse Strukturen aufzubauen und sich Machtpositionen in der Wirtschaft und der Verwaltung zu sichern. Die Öffnung Albaniens zum Westen ermöglichte der albanischen Mafia in der Folge die Internationalisierung ihrer kriminellen Machenschaften, die alle lukrativen Bereiche wie Menschenhandel, Rauschgifthandel und Schutzgelderpressung umfassen. Innerhalb Albaniens ist die Polizei alleine mit der Sicherstellung im Westen gestohlener Luxusautos bereits überlastet.

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Enge Verbindungen bestehen zwischen der albanischen Mafia und der UCK, der Kosovo-Befreiungsarmee, welche für den militärischen Schutz der Mafiaclans und ihrer Aktivitäten sorgt. In diesem Licht muss auch der aufgeflogene mutmaßliche Organhandel des ehemaligen UCK-Führers und jetzigen kosovarischen Regierungschefs Hashim Thaci gesehen werden. Laut Bericht des Schweizers Dick Marty an den Europarat wurden hunderte Serben, aber auch Kosovo-Albaner nach Albanien verschleppt, wo ihnen alle brauchbaren Organe entnommen und diese ins Ausland verkauft wurden.

UCK

UCK

Die Kosovo-Befreiungsarmee UCK und die albanische Mafia
sind eng miteinander verbunden.
Foto: DoD photo by Sgt. Craig J. Shell, U.S. Marine Corps / WIkimedia

Wie sehr Albanien unter Kontrolle des organisierten Verbrechens stand und wohl immer noch steht, zeigt ein Bericht des Europarates des Jahres 2004. Darin wurde davon ausgegangen, dass 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Albaniens aufgrund krimineller Aktivitäten erwirtschaftet wurde. 

Albanien und die Europäische Union

Seit 1991 etablierte sich die EU als wichtigster Handelspartner und vor allem Geldgeber Albaniens. Laut Wirtschaftskammer Österreich flossen zwischen 1991 und 2002 im Zuge der EU-Förderprogramme PHARE (Gemeinschaftshilfeprogramm für die Länder Mittel- und Osteuropas) und CARDS (Community Assistance for Reconstruction, Development and Stabilisation) 1,273 Milliarden Euro in das Land. Von 2002 bis 2006 waren für das CARDS-Programm weitere 315,5 Millionen Euro veranschlagt. 2007 wurden die bisherigen Förderinstrumente durch das "Instrument for pre-accession assistance" (IPA) ersetzt und unter diesem Titel bis 2010 weitere 306 Millionen Euro ausbezahlt. Für das Jahr 2011 sind laut EU-Quellen 95 Millionen Euro und für 2012 96,9 Millionen Euro vorgesehen.

2006 schloss die Europäische Union mit Albanien ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, und ungeachtet seiner unfassbaren innerstaatlichen Zustände stellte der Balkanstaat im April 2009 einen Antrag auf Mitgliedschaft. Trotz der langjährigen EU-Hilfen war Albanien bisher nicht in der Lage, eine funktionierende Volkswirtschaft in Gang zu setzen. Vielmehr befindet sich die albanische Wirtschaftsleistung mit einem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von 3825 US-Dollar und einer Arbeitslosenquote von 13 Prozent auf niedrigem Niveau (Zahlen aus 2009).

Insgesamt war der von Enver Hodscha und seinen Nachfolgern angerichtete Schaden an der albanischen Zivilgesellschaft so nachhaltig, dass sich das Land selbst zwei Jahrzehnte nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft nicht davon erholen konnte.

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