Die Wiener SPÖ hat es immer schon verstanden, öffentliche Einrichtungen und Bauten für die eigene ideologische Interpretation der Geschichte einzusetzen. Einen ganz wesentlichen Anteil an dieser Geschichtsinterpretation nehmen hier seit jeher die Wiener Gemeindebauten ein. Seit den zwanziger Jahren werden neu errichtete Gemeindebauten vor allem auch dazu verwendet, mit der Namensgebung politische Signale zu setzen. Und diese gingen vor allem an die extreme Linke.
Traditionspflege für Kommunisten übernommen
Foto: Wikimedia / Bezirksmuseum Meidling
Im Vergleich zur kleinen Kommunistischen Partei Deutsch-Österreichs der Ersten Republik war die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) im Wien der zwanziger Jahre mit einer Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat ausgestattet und konnte somit ihr „Rotes Wien“ in hohem Maße autonom umsetzen. Und diese Machtfülle nützte sie recht ungeniert, um zusätzlich auch für die extreme Linke Traditionspflege der besonderen Art anzubieten. Gerade durch solche Signale wollte man Konkurrenz von links gar nicht aufkommen lassen. Unter anderem benannte man einen 1926/27 errichteten Gemeindebau in Wien-Meidling nach Karl Liebknecht.
Karl Liebknecht, der Spartakist
Der 1879 geborene Karl Liebknecht war ursprünglich Sozialdemokrat in Berlin. Schon bald schloss er sich gemeinsam mir Rosa Luxemburg und anderen einer extrem linken Oppositionsgruppe innerhalb der deutschen SPD an, aus der sich dann der Spartakusbund und später die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gründeten. Der Spartakusbund war gemeinsam mit anderen extrem linken Gruppen an der Berliner Räterepublik 1918/19 beteiligt, die in einer kommunistischen Diktatur münden sollte. Als diese linke Machtübernahme unter anderem auch mit Hilfe der SPD verhindert wurde, kamen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg im Zuge einer Vergeltungsaktion durch politische Gegner zu Tode.
Karl Liebknecht-Hof in Wien-Meidling
Die österreichische Sozialdemokratie nahm die Biographie Karl Liebknechts zum Anlass, eine linke Heldenverehrung zu initiieren. Aus diesem Grund wurde der im 12.Bezirk errichtete Gemeindebau, der durch einen festungsartigen Baustil geprägt ist, nach dem Kommunisten Karl Liebknecht benannt. Insgesamt umfasst diese Wohnanlage nicht weniger als 426 Wohnungen auf 28 Stiegen. Bei den Februarkämpfen 1934 war der Karl-Liebknecht-Hof einse der Widerstandsnester des Schutzbundes im Zuge des Aufstandes gegen das austrofaschistische Regime Dollfuss.