Beschaffungsvorgänge zwischen Regierungsstellen und der Waffenindustrie waren immer schon eine Fundgrube für mutmaßliche oder tatsächliche Korruption. Diskutiert man aktuell über die Eurofigther und damit im Zusammenhang stehende Unregelmäßigkeiten, so ging es vor rund 25 Jahren um Munitionskäufe des österreichischen Bundesheeres beim Schweizer Fabrikanten Oerlikon. Nach der Neuauflage der Großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP war das Bundesministerium für Landesverteidung nach 17 Jahren wiederum an die Österreichische Volkspartei gefallen. Bundesminister wurde der mächtige ÖAAB-Chef Dr. Robert Lichal.
Lichal führte das Verteidigungsministerium mit harter Hand
Als Robert Lichal Verteidigungsminister wurde, hatte er bereits eine lange Funktionärskarriere in Personalvertretung und ÖVP hinter sich. Bereits mit 36 Jahre war er Ende der sechziger Jahre Obmann der Zentralpersonalvertretung der niederösterreichischen Landesbediensten geworden – eine Position, die er bis zum Amtsantritt als Minister innehatte. In dieser Funktion war er für die ausschließlich nach ÖVP-Manier betriebene Personalpolitik im niederösterreichischen Landesdienst hauptverantwortlich. 1973 wurde Lichal stellvertetender Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, 1976 folgte die Entsendung in den Bundesrat, 1979 der Einzug in den Nationalrat. Lichal wurde Sicherheitssprecher der ÖVP, Landesobmann des ÖAAB, Präsidiumsmitglied des ÖGB und schlussendlich Bundesminister und ÖAAB-Bundesobmann. Auch die neue Aufgabe führte er ausschließlich nach parteipolitischen Gesichtspunkten und mit harter Hand. Den Spitzename „Django“, den er wegen seiner exponierten sicherheitspolitischen Ansichten erhalten hatte, trug er mit Stolz.
35 Millionen Schilling für Flakmunition wurden zur Causa prima
Lichals Amtsführung wurde von Anfang an von einem umfangreichen Beschaffungsvorgang in Sachen Munition überschattet. Als Minister ließ Lichal dem Schweizer Waffenproduzenten Oerlikon-Bührle AG einen Lieferauftrag über 50.000 Stück Leuchtspur-Flak-Übungsmunition erteilen. Mitbieter für diesen Auftrag war damals die französische Munitionsfirma Matra Manurhin Defense. Diese legte ein Anbot, das Gesamtkosten von rund 15 Millionen Schilling aufwies, also um satte 20 Millionen günstiger war. Jahre später kam noch dazu an die Öffentlichkeit, dass man die Munition überhaupt nicht gebraucht hätte und der Beschaffungsvorgang nutzlos war. Sogar bundesdeutsche Medien wie Der Spiegel berichteten.
Lichal entschied gegen Matra Manurhin Defense und ordnete per Weisung die Beauftragung der Schweizer mit der Munitionslieferung an. Damit entstand der Republik ein Schaden von 20 Millionen Schilling. Zwei Jahre später ermittelten die zuständigen Strafbehörden wegen Untreue und Amtsmissbrauch. Als Folge dieser Affäre kam es zu Hausdurchsuchungen sowohl im Bundesministerium als auch im ÖAAB-Hauptquartier. Grund dafür waren die Ergebnisse einer anderen Amtshandlung. Beim Wiener Repräsentanten der Oerlikon-Bührle AG, dem Waffenindustrielobbyisten Walter Schön, wurden brisante Schriftstücke gefunden, die auf Parteienfinanzierung in Richtung ÖAAB und ÖVP hindeuteten.
Michael Spindelegger als Ministersekretär involviert
Schön war durch Provisionen für Waffengeschäfte mit dem Österreichischen Bundesheer zu einem wohlhabenden Mann geworden. Unter anderem war er auch ein Duzfreund des amtierenden Bundesministers Lichal. Die bei Schön gefundenen Schriftstücke enthielten folgenden Aktenvermerk: „Spindelegger: 1. Parteienfinanzierung; zwei Millionen; 2. Auftragsvolumen: 35 Mio..“ In Schöns Büro fand man eine Brief Lichals, der sich auf ÖAAB-Briefpapier für einen schönen „Fliederbusch“ an seine Frau bedankte. Die Kriminalisten deuteten dies in der Wiener Ganovensprache als „viel Geld“. Der heutige Vizekanzler, Außenminister und ÖVP-Obmann war damals als Ministersekretär engster Mitarbeiter von Lichal. Zudem war Spindeleggers Vater Erich einer der treuesten Parteifreunde Lichals und sein Vorgänger als Bundesrat von Niederösterreich. Laut Medienberichten gab es auch bei Spindelegger in dessen Privatwohnung eine Hausdurchsuchung in Sachen Oerlikon. In Folge wurde die Liste der zu untersuchenden Delikte immer länger: Verdacht der Beihilfe zum Amtsmissbrauch, Verdacht des Amtsmissbrauches, Vergehen der Verleitung zu Pflichtwidrigkeiten, Verbrechen der Untreue, Verdacht der strafbaren Handlung und Ausnützung einer Amtsstellung standen schlussendlich auf der Agenda der Strafbehörden.
Oberstaatsanwaltschaft Wien stellte die Erhebungen ein
Drei Jahre nach dem Beschaffungsvorgang wurden die Ermittlungen gegen Schön, Lichal, Spindelegger und Co. eingestellt. Dem war eine Weisung des auf Vorschlag der ÖVP in die Bundesregierung berufenen Justizministers Egmont Foregger vorausgegangen, der dem ermittelnden Staatsanwalt Wolfgang Mekis den Fall aus bis heute nicht nachvollziehbaren Gründen entzogen hatte. Mekis berief sogar eine Pressekonferenz ein, um sich gegen diese Vorgangsweise des Justizministeriums zu wehren. Lichals Ministerkarriere ging im selben Jahr dennoch zu Ende, er übergab sein Amt an seinen ÖAAB-Nachfolger Werner Fasselabend und zog sich für die nächsten vier Jahre auf den politischen Altenteil als Zweiter Nationalratspräsident zurück. Auf die Causa wollte er seitdem nie mehr angesprochen werden, Und auch ein anderer will vergessen. Als die Zeitung Der Standard heuer im Mai Spindelegger auf die seinerzeitige Affäre ansprach, wurde jeder Kommentar durch sein Büro abgelehnt.
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