1996 entschloss sich die ÖVP/SPÖ-dominierte steiermärkische Landesregierung, im Bereich der Energieversorgung eine grundlegende strukturelle Änderung vorzunehmen. Man gründete als Dachgesellschaft die Energie Steiermark AG, kurz EStAG. Die bisher im Landesbesitz befindlichen Energieunternehmen Steweag, Steirische Fernwärme und Steirische Ferngas wurden unter dem Dach der EStAG vereinigt. 1998 verkaufte man einen Anteil von 25 Prozent plus einer Aktie an die französischen Unternehmen Electricite de France und Gaz de France internationale.
Proporz, Geldverschwendung und Machtmissbrauch
Von Anfang an führte der EStAG-Konzern ein Eigenleben. Management und Aufsichtsrat, von Anfang an schwarz-rot besetzt, kümmerten sich weder in ausreichenden Maße um die strategische Ausrichtung des Energieunternehmens, noch um Maßstäbe wie Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit. Es wurde im Gegenteil über Jahre hinaus eine nicht nachvollziehbare Beteiligungspolitik verfolgt. Controlling und andere zentrale unternehmenspolitische Einrichtungen wurden sträflich vernachlässigt. Dazu kamen fürstliche Gagen für die Vorstandsmitglieder. Allein zwischen 2001 und 2002 stiegen die Aufwendungen für den dreiköpfigen EStAG-Vorstand von 866.300 auf 1,187.500 Euro. Angesichts dieser Tatsachen mag es kaum zu verwundern, dass auch der schwarz-rot besetzte Aufsichtsrat der EStAG das Unternehmen nicht entsprechend kontrollierte.
Ex-ÖVP-Politiker Gerhard Hirschmann scheiterte am eigenen System
2003 kam es zu einer ÖVP-Personalentscheidung, die auf die EStAG unmittelbaren Einfluss hatte. Gerhard Hirschmann, lange Zeit ein Kronprinz von Alt-Landeshauptmann Josef Krainer und nunmehr gemeinsam mit seinem politischen Zwilling Herbert Paierl Landesrat unter der ÖVP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, war politikmüde. Vor die Tatsache gestellt, dass es in der Landespolitik zu keinen höheren Weihen mehr reichen würde, ließ er sich 2003 von seinen ÖVP-Parteifreunden in den Vorstand der EStAG hieven. Nunmehr waren bereits sieben Jahren seit der Gründung dieser Energiegesellschaft ins Land gezogen, und die Strukturprobleme wurden immer offensichtlicher. Hirschmann, erst wenige Monate im Konzern, brachte diverse Ungereimtheiten an die Öffentlichkeit, dies unabgesprochen mit seinen Vorstandskollegen und der Landespolitik. ÖVP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic und der für die EStAG ressortzuständige ÖVP-Landesrat Herbert Paierl brachen mit ihrem Parteikollegen Hirschmann. Binnen weniger Wochen hatte die ÖVP-Führung neben der Affäre Herberstein nun auch einen veritablen Skandal um den Landesenergieversorger am Hals. Der Regierungspartner SPÖ – in den vergangenen Jahren stehts in Aufsichtsrat und Vorstand personell vertreten – platzte vor Schadenfreude. ÖVP-Haudegen Hirschmann war in seiner letzten öffentlichen Funktion an jenem System gescheitert, das er als steirischer Spitzenpolitiker über Jahrzehnte hinweg geschaffen hatte.
Das System geht trotz allem weiter
Es kam in der Folge zu einer aktienrechtlichen Sonderprüfung, zur Prüfung durch den Rechnungshof und sogar zu mehrjährigen strafrechtlichen Ermittlungen. Das Aufsichtratspräsidium, bestehend aus dem ehemaligen ÖVP-Wirtschaftsminister Johannes Ditz und dem ehemaligen SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter Peter Schachner-Blazizek, war um Beruhigung bemüht. Als die Causa weiter eskalierte, wurde der gesamte EStAG-Vorstand abgesetzt. Darüber hinaus musste der langjährige Klasnic- und Hirschmann-Wegbegleiter Paierl seinen Hut als Wirtschafts- und Energie-Landesrat nehmen. Der Rechnungshofbericht war im Resultat vernichtend. Hirschmann trat aus der ÖVP aus, kandidierte mit einer eigenen Liste und trug so wesentlich zur Abwahl von Waltraud Klasnic als Landeshauptfrau bei. Die Strafbehörden ermittelten bis 2006 und stellten dann für viele Beobachter überraschend die Verfahren ein. Lehren hat man aus dem seinerzeitigen EStAG-Skandal allerdings keine gezogen. Bis heute ist der Landesenergieversorger fest in der Hand des nunmehr rot-schwarzen Proporzsystems in der Steiermark. Auch unter SPÖ-Landeshauptmann Voves hat sich daran nichts geändert.
Weitere Skandale der Republik:
- Peter Krauland: Erfinder der schwarzen Korruption
- Viktor Müllner: Zinsen für die ÖVP-Kassa
- Milliardenverlust im Ausland: Der Wiener SPÖ-Bauring-Skandal
- Der versuchte Meinungskauf des ÖVP-Politikers Helbich
- Roter Bautenminister griff in Gewerkschaftskasse
- Der AKH-Skandal: 37 Jahre und 45 Milliarden
- WBO-Skandal: Sechs Jahre Haft für ÖVP-Genossenschafter
- SPÖ-Finanzminister Androsch als Steuerhinterzieher verurteilt
- Bundesländer-Versicherung: Landeten Prämien und Provisionen bei der ÖVP?
- Der Fall Lucona: Alles begann im roten Club 45
- Die Affäre des SPÖ-Arbeiterkammer-Präsidenten Alois Rechberger
- Vertuschung von illegaem Waffenhandel: Der Noricum-Skandal
- Oerlikon-Skandal wirft Schatten auf ÖVP-Obmann Spindelegger
- Konsum-Pleite: Symbol für rote Wirtschaftskompetenz
- Bela Rabelbauers Kofferspende für marode ÖVP
- Euroteam: Fördermillionen für Lehrlingsoffenisve versickert
- Das Milliarden-Fiasko des Genossen Beppo Mauhart
- Steuerskandal um steirische SPÖ-Zukunftsstiftung
- SPÖ-Förderskandal um ein marodes Zellstoffwerk
- Waffenprovisionsskandal um ÖVP-Wehrsprecher Kraft
- Großpleite in der Society: Die ÖVP-Affäre Herberstein
- Das unrühmliche Karriereende des SPÖ-Juristen Heinrich Keller
- Spesenskandal in der SPÖ-Parteizentrale