Wenn der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan zigtausenden seiner Anhänger in und vor der Wiener Albert-Schultz-Halle spricht, dann geht es vordergründig um den Präsidentenwahlkampf in der Türkei im August. Erdogan strebt das höchste Amt im Staat an, und rund 114.000 potentielle Wähler, sprich türkische Staatsbürger sind in Österreich daheim. Vermutlich aber noch viel mehr, denn die illegale Praxis, Türken nach Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft zusätzlich wieder einen türkischen Pass auszustellen, ist weit verbreitet und fettet das Wählerregister um Zehntausende weitere Personen auf, die in Österreich leben.
Dessen ungeachtet, gilt Erdogans Augenmerk bei seinen Auftritten in europäischen Städten nicht nur der eigenen Wahlwerbung, sondern er mischt sich damit auch tief in die Gesellschaftspolitik jener Staaten ein, die ihn als meist ungebetenen Gast zu ertragen haben. Schon 2008 nannte er in Köln die Assimilation ein “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, wiederholte diesen Ausspruch zwei Jahre später. Erdogans Botschaft: Türken sollen Türken bleiben, sich keinesfalls an die westliche Lebensweise anpassen, aber durchaus in der Politik ihrer Gastländer mitmischen.
Rot und Schwarz von Erdogan-Fans unterwandert
Und das tun sie auch. Nicht erst die – freundlich ausgedrückt – selbstbewussten Auftritte des Organisators von Erdogans Wien Besuch, Abdurrahman Karayazili von der Union der Europäischen Türkischen Demokraten (UETD), zeigen, dass Erdogans Anhänger mit lauter Stimme Österreichs Politikern paroli bieten. Gerade in den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben die Erdogan-Fans auch längst Fuß gefasst. Zwei Beispiele, die das aktuelle FPÖ-TV-Magazin nennt: Resul Ekrem Gönültas, umstrittener Vorzugsstimmenkaiser bei der Nationalratswahl für die SPÖ, der auf Türkisch warb und der radikalen Milli-Görüs-Bewegung nahe steht. Und Hasan Vural, im Nationalratswahlkampf gemeinsam mit dem jetzigen Außenminister Sebastian Kurz Plakatmodel. Er fuhr gleich zum Kongress der Erdogan-Partei AKP nach Ankara, um sich Anregungen für die politische Arbeit zu holen.
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