Spätestens seit dem geschmacklosen Internet-Kommentar eines jungen Lehrlings aus Wels ist bekannt, welches Verhältnis sich heimische Unternehmen oftmals gegenüber ihren Arbeitnehmern anmaßen: das einer modernen Leibeigenschaft. So fragwürdig manche Postings in sozialen Netzwerken auch sind, spiegeln sie doch die private Meinung der Angestellten wieder. Dies wollen Arbeitgeber aber nicht durchgehen lassen und so installieren nun auch die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) – mit knapp 40.000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber Österreichs – in einem internen Rundschreiben eine Art interne Firmenjustiz.
In der Managementinfo 27/2015, die Unzensuriert.at vorliegt, heißt es einleitend:
Aktuell ist die Flüchtlingsthematik in den soziaen Netzwerken ein oft diskutiertes und polarisierendes Thema. Leider sind auch immer wieder Hassparolen und diskriminierende Postings zu lesen, bei denen fallweise auch ÖBB-MitarbeiterInnen als AutorInnen erkennbar sind. Da Soziale Medien wie etwa Facebook öffentlich sind, schädigt das unser Unternehmen. Daher will und kann der ÖBB-Konzern solche Postings nicht tolerieren.
Chefetage spielt sich als neuer Rechtsstaat auf
Auf einer knappen A4-Seite werden leitende Angestellte dazu angehalten, ihre Mitarbeiter punkto soziale Medien zu schulen. Doch nicht nur etwas mehr Sensibilität wird von den Bediensteten gefordert, sondern gleich auch mit Konsequenzen bei Verstößen gedroht.
So werden künftig auch Kommentare, die in der Freizeit der Arbeitnehmer getätigt wurden, geahndet. Problematisch ist hierbei vor allem, dass sich viele Mitarbeiter mit dem Konzern in Verbindung bringen lassen, weil sie ihren Arbeitgeber im öffentlich ersichtlichen Profil angegeben haben und so Futter für selbsternannte Kommentarjäger bieten.
ÖBB entscheiden über strafrechtliche Relevanz
Sollten Kommentare strafrechtlich Relevantes wie etwa Verhetzung beinhalten, droht die Chefetage sogar mit Entlassungen. Interessant ist dabei aber vor allem, dass sich die Firmenleitung anmaßt, über ihre Mitarbeiter Recht zu sprechen. Für gewöhnlich wurde in Österreich bisher immer vor einem ordentlichen Gericht entschieden, ob ein fragwürdiger Inhalt nun tatsächlich strafrechtlich Relevantes beinhaltet und nicht von der Chefetage eines Unternehmens.