Die Türkei setzt ihre mögliche Mitgliedschaft in der Europäischen Union aufs Spiel. Seit dem gescheiterten Putschversuch liebäugelt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan damit, die Todesstrafe wieder einführen zu wollen. Diese wurde seit 1994 nicht mehr vollstreckt und 2004 erst abgeschafft. Skurril ist Erdogans Argumentation. Weil während einer seiner Ansprachen das Publikum mehrmals lautstark die Todesstrafe für die Putschisten forderte, sieht sich Erdogan in seinem Vorhaben bestärkt: „Wir hören eure Forderung. In einer Demokratie müssen die Menschen bekommen, was sie wollen!“ Betroffen wären vermutlich tausende „Täter“. 6.000 Personen sollen nach dem Putsch verhaftet worden sein. Erdogan will Beratungen mit den Oppositionsparteien führen.
Todesstrafe ist „absolut inakzeptabel“
Wie auch immer. Die Todesstrafe wurde 2004 deswegen abgeschafft, damit die EU überhaupt erst Beitrittsverhandlungen mit der Türkei führen wird. Sollte die Todesstrafe nun wieder eingeführt werden, wäre eine EU-Mitgliedschaft der Türkei hinfällig. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte gegenüber dem Kurier, dass die Einführung der Todesstrafe „absolut inakzeptabel“ sei. Es brauche weiterhin ein klares Bekenntnis der Türkei zur Beibehaltung der Abschaffung der Todesstrafe, „die wir als grausame und unmenschliche Form der Bestrafung ablehnen“.
Todesstrafe im Vertrag von Lissabon
Es stellt sich die Frage, wie die EU nun auf das weitere Verhalten der Türkei reagiert. Möglich ist, dass Erdogan die Todesstrafe mit dem EU-Recht rechtfertigt. Offiziell ist die EU gegen die Todesstrafe. Allerdings gab es in der Vergangenheit immer wieder Kritik daran, dass der Vetrag von Lissabon unter gewissen Umständen die Todesstrafe erlaube.
Detlev Kleinert, er war von 1991 bis 1996 Südosteuropa-Korrespondent der ARD in Wien meinte in einem Gastkommentar in der Presse wie folgt:
Ein Beispiel für den Widersinn dieses Entwurfes mag genügen: die Aussage zur Todesstrafe. Sehen wir uns in der „Schlussakte“ die „Erklärungen zu Bestimmungen der Verfassung“ an, so finden wir unter „Titel 1“, der die „Würde des Menschen“ beschreibt, den Artikel 2/2, der da lautet: „Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.“ Was dieser so scheinbar klare Wortlaut bedeutet, sagt uns jedoch die beigefügte Erläuterung zu Artikel 2: „Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe vorsehen“. Eingeschränkt wird dieser Persilschein für die Todesstrafe mit dem Hinweis auf Kriegszeiten oder einer unmittelbaren Kriegsgefahr und dem, wiederum jegliche Auslegung ermöglichenden Hinweis auf „einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen“.