Die EU-Kommission will, dass die Mitgliedstaaten energiepolitisch viel enger kooperieren. Die Rede ist von gemeinsamen Verhandlungen mit Lieferanten. Die Strom- und Gaspreise für die Kunden sollen dadurch günstiger werden, lautet das Versprechen. Derzeit ist die in den letzten Wochen kräftig beworbene „Europäische Energieunion“ zwar noch ohne praktische Auswirkung, wie der Energieexperte Fritz Binder-Krieglstein im Interview mit der Neuen Freien Zeitung erklärt. Denn in den EU-Vertrag, der den Nationalstaaten die Entscheidungshoheit über ihre Energiepolitik gibt, greifen die Pläne nicht ein – noch nicht.
Vorstellung der Ziele in Washington
Doch die Ziele, die EU-Politiker mit der Energieunion verfolgen, sind hoch gesteckt und haben nicht zwingend etwas mit Umwelt- oder Konsumentenschutz zu tun. Der Spanier Miguel Arias Canete, EU-Kommissar für Energie, ließ bereits unmissverständlich wissen, wohin die Reise gehen soll. Die tatsächlichen Ziele erklärte er jedoch nicht den europäischen Bürgern, sondern den Zuhörern einer Grundsatzrede, die Canete am 4. Februar 2015 in Washington hielt, und zwar beim „Atlantic Council“ – einer Denkfabrik, die sich folgendes zum Ziel gesetzt hat:
Förderung "konstruktiver US-Führerschaft" und US-amerikanischen Engagements in internationalen Angelegenheiten auf Basis der zentralen Rolle der atlantischen Gemeinschaft bei der Bewältigung der internationalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Vorsitzender des Atlantic Council war Chuck Hagel, ehe er im Jahr 2013 zum US-Verteigungsminister berufen wurde, der er bis 12. Februar 2015 blieb. Und mit US-Kriegspolitik hängt auch die EU-Energieunion eng zusammen, wie Kommissar Canete in seiner Rede unumwunden zugab:
And finally on Ukraine. Our cooperation here has been immense. From reform measures in Ukraine, to sanctions against Russia. From reverse gas flow from Slovakia to Ukraine, to integration of South East Europe in the EU's energy market. All have been driven by EU-US cooperation.
Together then, we already have achieved so much, but we could still achieve so much more.
The best way to do this is through our trans-Atlantic market – the world's largest trade and investment zone.
Russisches Gas soll aus Europa gedrängt werden
Das Ziel ist klar: Russland soll als Lieferant aus dem europäischen Markt gedrängt werden. Dies wurde dort natürlich längst erkannt, wie nicht nur der Abbruch des Pipeline-Projekts "South Stream" durch Präsident Putin nach wiederholten Provokationen durch die EU zeigt. Laut dem russischen Energieexperten Sergej Kondratjew versucht die EU-Kommission, die europäischen Verbraucher in einem Pool zu vereinigen, in dem für jeden gleiche Bedingungen geschaffen werden werden. Bei Gazprom liege der Preisunterschied für europäische Abnehmer zwischen 20 und 30 Prozent, so der Experte gegenüber der rusisschen Nachrichtenagentur Sputnik. Gazprom verhandle daher bereits über eine massive Ausweitung seiner Gaslieferungen nach China.
Nachdem die strategischen Pläne zur Energieunion keine nennenswerten Änderungen im Energiemix – Stichwort „Energiewende“ – vorsehen, muss das Gas also künftig von woanders importiert werden. Hier kommt der von Canete bereits angesprochene „transatlantische Markt ins Spiel“. In Washington sagte der Energie-Kommissar weiter:
Energy needs to be a key part of Trans-Atlantic Trade and Investment Partnership discussions. Our trans-Atlantic energy approach needs to be embedded in this new agreement, we need detailed provisions and promote common standards for the energy sector, and we need gas to be traded freely across the Atlantic.
Gas müsse also frei über den Atlantik gehandelt werden – als Teil des umstrittenen TTIP-Abkommens. Für die FPÖ, deren Umwelt- und Energiesprecher Norbert Hofer die EU-Pläne massiv ablehnt, steht fest, um welche Art von Gas es sich dabei handeln muss, nämlich um das durch Fracking gewonnene Schiefergas. Der Abbauboom der letzten Jahre hat die USA als Energieproduzent an Bedeutung gewinnen lassen. Im Interview mit FPÖ-TV sagt Hofer:
In Wirklichkeit versucht man über diese Energieunion, Gas aus den USA nach Europa zu transportieren, TTIP auch hier mit einfließen zu lassen, und man sagt den Menschen die Unwahrheit.
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Offensichtlich sei von beiden Seiten des Atlantiks über die Köpfe der Bevölkerung hinweg bereits alles auspaktiert, so Hofer. Der Verdacht liegt nahe, denn der Vizepräsident der EU-Kommission, der Slowake Maroš Šefčovič, träumt bereits vom freien Energiefluss durch Europa, als wär er die fünfte EU-Grundfreiheit.