Die Journalisten informieren breit und vielfältig über die Migration. Ihre Berichterstattung hat allerdings blinde Flecken.

17. August 2015 / 14:01 Uhr

Migration und die blinden Flecken in den Medien

Der soziale Zusammenhalt unter dem Druck der Einwanderung wird immer prekärer. Doch der Ausnahmezustand wird medial als Normalfall akzeptiert. Selbst wenn nahezu bankrotte Kommunen für die Unterbringung und Versorgung der Neuankömmlinge erhebliche Kosten aufbringen müssen oder wenn gerade aus Not Gerettete ihre Wohltäter bestehlen, provoziert dies keine medienöffentliche Diskussion. Die Empathie mit den Migranten steht über allem. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hat über das "Minenfeld Migration" und die blinden Flecken in der Berichterstattung einen bemerkenswerten Artikel geschrieben.

Lügen und Täuschen

"Man könnte glauben, dass Masseneinwanderung kein Problem ist, sondern nur von Anhängern einer "Festung Europa" zu einem gemacht wird. Wo Vertreter einer solchen Position überhaupt zugelassen werden, inszeniert man ihren Auftritt so, dass im Fernsehen ihre Thesen durchs Bilder-Arrangement schon dementiert werden. Es ist ein wohlmeinender Paternalismus, der diese Berichterstattung prägt", schreibt die NZZ. Nachsicht und Verständnis seien fast grenzenlos. Lügen und Täuschung der Behörden im Asylverfahren würden als hinzunehmender Standard gelten. Provozierendes Verhalten und zum Teil aggressiv vorgetragene Ansprüche würden neutral registriert. Exemplarisch sei da der verständnisvolle Bericht über Afrikaner, die ihre Unterkunft randalierend zerlegen, weil ihnen bisher bloß eine, und nicht wie gewünscht zwei, warme Mahlzeiten täglich angeboten werden.

Öffnen aller Tore

Die NZZ übt Kritik, dass Zeitungen in dem besonders beliebten Genre der Homestory über abgelehnte Asylbewerber, die abgeschoben werden sollen, die Parteinahme und die kritiklose Übernahme der Perspektive der Betroffenen kulminieren. Beispielhaft sei die Geschichte, in der der Kölner Stadt-Anzeiger den Unterstützer einer angeblichen Roma-Familie zu Wort kommen lässt, welche wegen fehlender Asylgründe nach Serbien abgeschoben werden soll: "Hier geht es gar nicht um die Frage, ob sie verfolgt werden, sondern, wie das Leben dort ist." An diesem Beispiel artikuliere sich, oft mit stillschweigender Zustimmung der Medien, eine Haltung, die jede kontrollierte Asylpolitik außer Kraft setzen will und nur noch das weite Öffnen aller Tore erlaubt. Wenn in Medien und öffentlichen Diskussionen die Rückführung von Ausreisepflichtigen thematisiert werde, geschehe dies stets mit dem Tenor des Skandalisierens des behördlichen Handelns.

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt:

Grund für diese Geringschätzung des rechtlichen Rahmens für Asylgewährung ist vermutlich die Faszination, die der Flüchtling auf Medien ausübt. Er erscheint als geradezu emblematische Figur der Zeit, Repräsentant einer Welt, die in manchen Teilen gekennzeichnet ist durch Krieg und Bürgerkrieg, durch Hunger und ein Elend, das keine Zukunftschancen öffnet. Der Flüchtling ist Weltbürger wider Willen, der in Deutschland auf diffuse Weise geschichtspolitisches Schuldbewusstsein aufruft, zugleich aber auch Retter aus der demografischen Krise sein soll.

Nüchternes Kalkül fehlt

Unterrepräsentiert in den Medien sei die gesellschaftspolitische Reflexion der Entwicklung. Die Einseitigkeiten der Berichterstattung setzten das Publikum nicht nur moralisch unter Druck einen gesellschaftlichen Wandel von erheblichem Ausmaß zu akzeptieren, ohne die eigenen Sorgen, Vorbehalte und Bedürfnisse angemessen in die öffentliche Erörterung einbringen zu können. Es fehle dieser Berichterstattung auch der Sinn fürs nüchterne Kalkül, das die divergierenden Interessen aller Beteiligten identifiziert, anerkennt und im kritischen Räsonnement ausbalanciert. Die Beschwörungen einer Bereicherung der Gesellschaft durch die neue Buntheit und Vielfalt überspringen Erfahrungen von Verlust an Gewohntem und die Belastung durch Konfrontation mit Fremden. So zahlreich die sensiblen Reportagen über Schwierigkeiten der Migranten bei Eingewöhnen in einen fremden Alltag auch seien, so selten fänden sich Gegenstücke die zu verstehen versuchen, wie Deutsche die Verwandlung ihres Viertels in ein neues "multikulturelles" Viertel erleben.

Die Neue Zürcher Zeitung kommt zum Fazit, dass die Medienpraxis des Wegsehens und der camouflierenden Berichterstattung, welche die Akteure verschleiern, keine Lösung sei. Einwanderung verlange einen Lernprozess, den auch die Medien zu einem guten Teil noch vor sich hätten.

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