Ein Buch, das viel verspricht, aber leider nicht alles hält: Der “Häfen-Report” von “Krone”-Schreiberin Monika Krisper.

23. Mai 2018 / 08:23 Uhr

“Der Häfen-Report”: Was hinter Österreichs Gittern passiert – und was verschwiegen wird

Der vielversprechende Titel macht nach Ansicht der Inhaltsangabe beim Leser durchaus Lust auf mehr. Kapitel wie “Justizanstalt Leoben – die Frauenabteilung”, “Ein Präsident als prominenter Insasse” oder “Unschuldig im Gefängnis” machen Lust auf mehr. Erinnerungen an den internationalen Bestseller “Der Minus Mann” des im Vorjahr verstorbenen Autors Heinz Sobota aus dem Jahr 1974 mit seinen mehr als eindrucksvollen, um nicht zu sagen grauenvollen, Häfen-Memoiren werden wach.

Vom Gefängnisdirektor bis zum Häfengreißler

Man kann der relativ jungen Autorin (geboren 1984) auch gar nicht absprechen, beim Recherchieren faul gewesen zu sein. Sie hat mit einem reuigen Ex-Sträfling mit rührender Lebensgeschichte (Kapitel “Heimkind”), einem Gefängnis-Direktor und einem Gefängnis-Seelsorger gesprochen. Sie nahm Lokalaugenschein in der fast idyllisch anmutenden Außenstelle der Strafanstalt Graz Karlau, in Maria Lankowitz (“Vom Gefängnis auf die Alm”). Sie befragte auch ehemalige Betreiber der Karlauer Häfen-Greisslerei, die sogar einmal Opfer einer Geiselnahme wurden.

Ex-Sturm-Graz-Präsident Kartnig nimmt kein Blatt vor den Mund

Aber – abgesehen vom ein wenig an Schulaufsätze erinnernden Schreibstil – fehlt den Geschichten irgendwie die Seele, der Tiefgang. Alles wirkt ein wenig steril, politisch korrekt und kapitelweise wie eine PR-Broschüre des modernen Strafvollzuges, wie man ihn gerne hätte. Das einzige Kapitel, das einen echt hineinzieht, sind die Schilderungen des ehemaligen Sturm-Graz-Präsidenten Heinz Kartnig über seinen tiefen Fall und seine darauf folgenden Häfen-Erfahrungen. Es ist aber auch das einzige Kapitel, in dem ein Eingesperrter tatsächlich über seinen Häfen-Alltag erzählt. Wobei Kartnig ganz sicher kein Durchschnitts-Häftling war, sondern eher die Ausnahme von der Regel, wenn auch eine originelle.

Reale Häfen-Probleme werden ausgeklammert

Ansonsten: Kein Wort über die hoffnungslose Überbelegung in den meisten österreichischen Haft- und Strafanstalten, ausgelöst durch den starken Kriminalitäts-Schub durch Einwanderer. Das hat etwa in Wien-Josefstadt dazu geführt, dass die meisten Zellen bis zu doppelt so starkt belegt sind als vorgesehen, wie Volksanwältin Gertude Brinek erst kürzlich öffentlich anprangerte.

Die daraus resultierenden Probleme im tagtäglichen Zusammenleben können wohl auch chronische Nicht-Häftlinge leicht nachvollziehen. Man braucht sich nur vorzustellen, dass in seiner Wohnung plötzlich doppelt so viele Menschen leben wie zuvor.

Kein Wort über Gewaltexzesse durch Ausländer

Ausgespart werden auch die massiven Probleme durch die extrem hohe Überzahl an ausländischen Strafgefangenen, besonders Moslems, die in manchen Haftanstalten bis zu 80 Prozent beträgt. Das dadurch entstehende extreme Gewaltpotential sowohl innerhalb der Insassen als auch gegenüber den Justizwachebeamten prangerten erst kürzlich die Neos an. Besonders interessant wäre für das Buch etwa gewesen, wie die (relativ) wenigen österreichischen Häftlinge sich in diesem Umfeld behaupten (?) und wie die von Personalmangel geprägte Justizwache mit dieser Situation umgeht.

Systemkritik fehlt fast völlig

Genau solche systemkritischen Aspekte, erzählt von Häftlingen oder auch “Kas” (“Kaiserlicher Arrestschließer”, bis heute gängiges, häfeninternes Synonym für Justizwachebeamte), fehlen in dem Buch weitgehend. Auch flankierende politische Recherchen, warum etwa in Wien nicht längst ein zweites Landesgericht gebaut wurde, hat man – wohl mangels Problembewusstsein – nicht eingeholt. Stattdessen wird den oft als sozialutopisch anmutenden Thesen der Gefängnisbetreiber ein Übermaß an Aufmerksamkeit gewidmet.

Kein Draht zu echten Häfenbrüdern

Aber das ist kein Wunder: Echte Häfenbrüder, die in der überwiegenden Zahl männlich sind, offenbaren ihre Befindlichkeiten – sofern sie noch Deutsch sprechen – nur selten jungen Kronen-ZeitungSteiermark-Schreiberinnen wie Autorin Monika Krisper, die einfach nicht ihre Sprache sprechen. Wie sollten sie auch.

Beistrichregeln außer Kraft

Was insgesamt verwundert, ist, dass die im Buchklappentext als “Akademische Medienfachfrau” ausgewiesene Autorin anscheinend über keine ausreichenden Beistrichregel-Kenntnisse verfügt und der Verlag auch an einem kompetenten Lektor gespart haben dürfte. Kaum eine Seite ohne Beistrichfehler. Rezensoren oder auch Leser alter Schule stoßen sich an solchen Mankos.

Alles in allem ein unterhaltsames Buch mit interessanten Einblicken in manche Teilbereiche unserer Gesellschaft – aber ohne Zweifel kein wirklicher “Häfen-Report” im Sinne vom Einblick in das wahre Leben hinter Gittern – siehe zum Vergleich Heinz Sobota.

Monika Krisper. Der Häfen-Report – Was hinter Österreichs Gittern passiert. Das Buch kann über die Buchhandlung Stöhr um 21.95 Euro bezogen werden.

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