Nun ist er da, der 12. April, für den einmal mehr Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union vorgesehen war. Ob es dazu kommt, kann niemand voraussagen. Die britische Premierministerin Theresa May hat Brüssel in der vergangenen Woche um einen erneuten Aufschub bis zum 30. Juni gebeten. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat sogar einen weiteren Aufschub um ein Jahr vorgeschlagen.
Gastbeitrag von Ernst Wolff
In beiden Fällen müsste Großbritannien allerdings an der Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai dieses Jahres teilnehmen. Das jedoch dürfte den 17,4 Millionen Briten, die im Referendum am 23. Juni 2016 für einen “Brexit” gestimmt haben, kaum gefallen und könnte ihre Wut nach mehr als zweieinhalb Jahren vergeblichen Wartens möglicherweise überkochen lassen.
Niemand spricht über historische Chance für Geld-Jongleure
Auf diesen Fall bereitet sich zurzeit die britische Polizei vor. Sie gab kürzlich bekannt, dass für den Fall von Unruhen im Land 10.000 Polizisten bereit stehen, die innerhalb von 24 Stunden einsatzbereit wären. Wovon derzeit niemand spricht, ist die historische Möglichkeit, die ein solches Szenario der globalen Finanz-Elite eröffnen würde – und zwar aus folgenden Gründen:
Rückkehr zur lockeren Geldpolitik
Nachdem die Zentralbanken ihre Geldpolitik im vergangenen Jahr gestrafft haben, ist es im Dezember zu den größten Börseneinbrüchen seit 70 Jahren gekommen. Um den Abwärtstrend zu stoppen, haben die wichtigsten Zentralbanken, allen voran die FED und die EZB, umgehend reagiert und eine Rückkehr zur lockeren Geldpolitik angekündigt.
Anhaltender Börsen-Boom bringt altbekannte Probleme mit sich
Das hat die Märkte nicht nur beruhigt, sondern zum besten Börsenstart seit Jahren und einer bis heute anhaltenden monatelangen Rallye geführt. Diese aber bringt die alten Probleme wieder mit sich: Die Blasen wachsen weiter und drohen, zu platzen. Und nicht nur das: Wegen der Niedrigzinsen ist die Verschuldung gegenüber 2007/2008 stark gestiegen, sodass die Risiken im System heute höher sind als vor zehn Jahren. Ein Börsenkrach hätte also wesentlich schlimmere Folgen.
Inszenierter “Brexit” samt “Sündenbock”
Deshalb dürfte sich die globale Finanzelite derzeit nichts mehr wünschen, als den Druck aus den Märkten zu nehmen und von sich selbst abzulenken. Dabei wird ihr wohl kaum die historische Chance entgehen, die ein Aufflammen von “Brexit”-Unruhen bieten würde – nämlich selbst einen Krach zu inszenieren, davon zu profitieren und der Öffentlichkeit mit den “Brexit”-Befürwortern auch noch einen Sündenbock für die entstehenden Verwerfungen zu präsentieren.
Kurse purzeln lassen und darauf setzen
Hedgefonds und Großbanken müssten zu diesem Zweck nur ihre Marktmacht ausnutzen, einen Ausverkauf an den Finanzmärkten anzetteln und die Kurse so ins Rutschen bringen. Und das wäre nicht einmal alles: Zuvor könnten sie auf fallende Kurse sowie ein fallendes Pfund wetten und anschließend den Krach nutzen, um mit gefüllten Taschen auf Einkaufstour zu gehen.
Börse kracht – und schuld sind die bösen “Brexit”-Befürworter
Ein auf diese Weise inszenierter – und damit von der Finanzelite kontrollierter – Krach würde ihr nicht nur riesige Gewinne bescheren, er böte auch noch die Chance, seine Folgen den “widerspenstigen” und “störrischen” Befürwortern des “Brexit” in die Schuhe zu schieben.
Auch der EU-Führung in Brüssel käme ein solcher inszenierter Krach nicht ungelegen: Sie könnte seine Folgen all denen, die wie zum Beispiel Katalonien eine Entlassung in die Unabhängigkeit fordern, als abschreckendes Beispiel präsentieren.
“Brexit” wird weder in Brüssel noch in London entschieden
Die kommenden Tage und Wochen werden zeigen, wohin die Reise geht. Auf jeden Fall sollte man sich nicht von den Mainstream-Medien täuschen lassen, deren Berichterstattung sich auf das britische Parlament und die EU-Bürokratie konzentriert. Die tatsächliche Entscheidung über den “Brexit” und das zukünftige Gesicht der EU wird weder in Brüssel noch in London gefällt werden, sondern – wie immer – in den Führungsetagen der internationalen Großbanken und Hedgefonds.