Die Republik Österreich ist weiterhin in einer Staatskrise. Möglicherweise hat das Land am Montag nicht einmal mehr einen Bundeskanzler, wenn der angekündigte Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz im Nationalrat durchgeht. Während Millionen Österreicher nun ungewiss um die Zukunft des Landes bangen, zeigt sich der Journalismus einmal mehr von seiner hässlichsten Seite: Wolfgang Fellner (Österreich) beweist wenig Feingefühl und veranstaltet auf seinem Nachrichtensender oe24-TV ein großes “Ibiza Gewinnspiel”.
Fellner findet Ibiza-Gewinnspiel “originell”
Dienstag Abend gab es auf dem Fernsehsender oe24-TV eine große Elefantenrunde zur Europawahl. Alle Spitzenkandidaten haben sich einen kräftigen und spannenden Schlagabtausch geliefert. Nach dem Ibiza-Skandal war dieser mit großer Spannung erwartet worden. Gestern, Mittwoch, legte Fellner nach und präsentierte zwei Studiogäste, die exklusive Neuigkeiten über jenen Anwalt und jenen Detektiv offenbarten, die das “ibiza-Video” angezettelt haben sollen – in wessen Auftrag auch immer. Der private Nachrichtensender verzeichnet seit dem Wochenende Zuschauerrekorde.
Journalisten ohne Respekt vor dem Staat
Diese staunten jedoch nicht schlecht, als zur Werbeunterbrechung Fellner vor die Kameras trat und verkündete, er habe sich “für heute Abend etwas besonders originelles” überlegt. Lachend präsentiert er ein Gewinnspiel, bei dem man ein Wochenende in jener Finca auf Ibiza gewinnen kann, in der das Skandal-Video gedreht wurde. Hämisch erklärte er:
Genießen sie ihr Wochenende in der Finca, wo HC Strache Österreich an Russland verkaufen wollte, ohne Kameras, aber dafür mit Vodka Red Bull
Während Österreich in Verunsicherung und Misstrauen versinkt, scheint für Journalisten wie Fellner nur die Quote zu zählen. Nach wie vor ist das Gewinnspiel auf der Internetseite von oe24 abrufbar.
Vilimsky kam bei Zuschauern am besten an
Bei der Studiodiskussion zeigte der Spitzenkandidat der FPÖ, Harald Vilimsky, was in ihm steckt. Wie zu erwarten war, wurde wenig über die EU geredet, dafür viel über die FPÖ und Ibiza. Dennoch konnte Vilimsky die Situation souverän meistern. Dies zeigte sich am vor allem am Ende der Sendung. Wie bei Fellner üblich, stimmten die Zuschauer via Internet über die Kandidaten ab. Die meisten Stimmen, welchem Kandidaten man nach dem Ibiza-Skandal am meisten vertraue, konnte Vilimsky für sich verbuchen. Da staunte Fellner nicht schlecht.
Zweifelhafte Stimmenzählung
Dabei wurden gar nicht alle Stimmen für die FPÖ gezählt. Seine Assistentin erklärte, dass zu viele FPÖ-Wähler teilgenommen hätten. Um ein statistisch genaues Ergebnis zu bekommen, müsste man die Wahlpräferenz der Zuschauer ermitteln, um dann anhand des letzten offiziellen Umfrageergebnisses diese proportional zur Oe24-Umfrage zu werten. Sehr fragwürdig, wenn man bedenkt, dass die letzte Umfrage, in der die FPÖ von 23 auf 18 Prozent gefallen war, noch vor den Enthüllungen um Kanzler Kurz und seinem Griff nach dem Innenministerium erhoben worden ist. Doch all diese Methoden haben nichts geholfen – Vilimsky hat sich im Gesamtergebnis den ersten Platz mit dem ÖVP-Kandidaten Othmar Karas geteilt.