Die EU verpflichtet ihre Mitgliedstaaten zum Export von Geldleistungen, vor allem dann, wenn Personen grenzüberschreitend erwerbstätig waren oder Familienangehörige nicht im selben Staat einen Aufenthalt haben. Familienleistungen, aber auch Pensionen oder Leistungen bei Krankheit und Invalidität werden durch entsprechende EU-Regeln koordiniert. Allerdings dürfte der Datenaustausch innerhalb der Mitgliedstaaten nicht funktionieren, womit auch Sozialmissbrauch unvermeidbar wurde.
Missbrauch bei Familienleistungen
Ein Beispiel: Ein Ungar arbeitet in Österreich, während seine Frau samt Kind in Ungarn lebt. Österreich müsste seine volle Familienbeihilfe überweisen. In Ungarn beginnt in Folge allerdings die Frau auch zu arbeiten. Daher müsste Ungarn seine – im Vergleich zu Österreich niedrigere – Familienleistung zuerst überweisen und Österreich eine Differenzzahlung. Wenn aber Österreich nicht weiß, dass die Ungarin arbeitet bzw. Ungarn nicht den österreichischen Behörden Bescheid gibt, so kassiert die ungarische Familie zwei Leistungen in voller Höhe, was rechtlich nicht zulässig ist.
Dass es solche Fälle gab, hat der Rechnungshof in einem Bericht aufgezeigt. Stichproben brachten Missbrauchsfälle ans Tageslicht. Die EU hat jedenfalls ihre Mitgliedstaaten zu einem elektronischen Datenaustausch verpflichtet und diesbezüglich ein IT-Programm bereitgestellt, das als EESSI (Elektronischer Austausch von Sozialversicherungsdaten) bekannt ist.
Auf einer Seite der EU-Kommission heißt es:
Über das IT-System EESSI können die Sozialversicherungsträger EU-weit schneller und sicherer Informationen austauschen – so wie dies die EU-Verordnungen zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme vorschreiben.
Derzeit findet der Austausch größtenteils auf Papier statt. In dem Maße, in dem sich EESSI in den Mitgliedstaaten durchsetzt, wird er künftig jedoch elektronisch erfolgen.
Der gesamte Datenaustausch zwischen nationalen Sozialversicherungsträgern zu grenzübergreifenden Vorgängen wird über EESSI abgewickelt. Die ausgetauschten Dokumente sind strukturiert und werden nach gemeinsam vereinbarten Verfahren erstellt. Sie werden über EESSI dem richtigen Empfänger im anderen Mitgliedstaat zugestellt.
Die Kommission hat das zentrale EESSI-System im Juli 2017 zur Verfügung gestellt. Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, EESSI in ihre nationalen Systeme einzubinden und die Sozialversicherungsträger mit dem grenzübergreifenden Informationsaustausch zu vernetzen.
EU-Kommission schweigt zu Presseanfrage
Also anders gesagt: EESSI müsste faktisch in wenigen Wochen voll einsatzbereit sein. Unzensuriert ersuchte die Presseabteilung der EU-Kommission diesbezüglich um Stellungnahme und erhielt keine Antwort. Sicher ist aber, dass in Österreich das IT-Programm FABIAN erst im Folgejahr einsatzbereit ist. FABIAN ist das seit Jahrzehnten angedachte Programm, um die Datenvernetzung, die bei Familienbeihilfen notwendig ist, zu gewährleisten. Das überwiegend ÖVP-geführte Finanzministerium dürfte es nicht geschafft haben, ein neuwertiges, einsatzbereites IT-Programm zu haben, das den Finanzbeamten die Arbeit erleichtert. Fraglich bleibt, wie sich die anderen EU-Staaten mit EESSI vernetzen. Dies dürfte am Datenaustausch scheitern.