„Das ist Europapolitik nach Gutsherren-Art“, „Hier ist die Demokratie in Gefahr“, „Das ist der größte Vertrag, den die EU jemals abgeschlossen hat“ – das sagen die Kläger eines Milliarden-Deals in der EU, der eine Menge Fragen aufwirft.
35 Milliarden Euro (!), diese unfassbare Summe macht ein Vertrag aus, den die Präsidentin der Europäischen Union, Ursula von der Leyen, mit Pharmafirmen abgeschlossen hat. Es handelt sich dabei um den größten jemals mit einem Privatunternehmen abgeschlossenen Vertrag der EU, die im Frühjahr 2021 bei Pfizer und Biotech 1,8 Milliarden Corona-Impfdosen bestellt hat.
Öffentlichkeit und EU-Kommission nicht informiert
Wenn eine Behörde aber so viel Geld ausgibt, müssen bestimmte Regeln eingehalten werden. Immerhin geht es um Steuergelder. In einem ARD-Bericht wird kritisiert, dass diese Regel offenbar nicht für Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen zu gelten habe. Denn diese habe den Kauf von Corona-Impfstoffen – ohne die Öffentlichkeit oder EU-Abgeordnete zu informieren, wie es zu diesem Geschäft gekommen sei – eingefädelt. Transparenz, Fehlanzeige! Es wäre ein Geheimnis daraus gemacht worden.
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Mehr InformationenBelgier macht Strafanzeige
Was soll hier vertuscht werden? Inzwischen laufen mehrere Klagen gegen von der Leyen. Auch Frédéric Baldan, ein belgischer Staatsbürger, hat eine Strafanzeige gegen die EU-Kommissionpräsidentin beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingereicht. Wegen Geheimhaltung wichtiger Dokumente. Für ihn sei diese Situation inakzeptabel, sagte er gegenüber dem Sender ARD. Die geheime Abwicklung des Geschäfts sei gesetzwidrig.
Von der Leyen verriet Chat-Geschäft New York Times
Im Konkreten geht es darum, dass sich von der Leyen in der Zeit, als es zu Engpässen bei der Lieferung von Impfdosen gekommen ist, in das Bestellgeschäft mit Pharmafirmen eingemischt haben soll. Neben bestehenden Verträgen habe die EU-Kommissionpräsidentin, so der Vorwurf, zusätzliche 1,8 Milliarden Corona-Impfdosen bestellt – das Besondere: Der Deal soll von der Präsidentin persönlich und lediglich über SMS-Nachrichten und Telefonate eingefädelt worden sein. Das soll Ursula von der Leyen zumindest der New York Times erzählt haben. Diese titelte im April 2021:
Wie Europa einen Pfizer-Impfstoff-Deal mit Chat-Nachrichten und Anrufen einfädelte.
Kritik vom Europäischen Rechnungshof
Demnach soll sich Ursula von der Leyen mit Albert Bourla, CEO von Pfizer, über das Telefon und SMS ausgetauscht haben. Der Europäische Rechnungshof bemerkte dazu kritisch:
Dies war der einzige Vertrag, bei dem das gemeinsame Verhandlungsteam entgegen dem Beschluss der Kommission über die Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen nicht in diese Verhandlungsphase einbezogen wurde.
Löschung der Chats wäre Straftat
Wie dieser Vertrag zustande kam und zu welchem Preis, das hält die EU-Kommission bis heute unter Verschluss. Die SMS-Nachrichten sollen angeblich nicht mehr auffindbar sein. Jedenfalls sind sie nicht öffentlich zugänglich. Wenn von der Leyen diese Chats noch hat, diese aber unter Verschluss hält, wäre das nach belgischem Recht strafbar, behauptet Kläger Baldan. Denn es handle sich um offizielle Dokumente, die offengelegt werden müssten. Hat von der Leyen die Chats gelöscht, wäre das ebenso eine Straftat, so Baldan.
In der Grundrechts-Charta der Europäischen Union heißt es nämlich, dass jeder Bürger das Recht auf Zugang zu den Dokumenten hat.
Hinausgeworfenes Geld
Der Vetrag steht mittlerweile auch inhaltlich in der Kritik. Man fragt sich, ob die Unmengen an Impfstoffen überhaupt notwendig gewesen wären. Nach dem Deal von von der Leyen standen jedem europäischen Bürger zehn Impfdosen zur Verfügung, verbraucht wurde aber lediglich ein Fünftel. Der Immunologe Andreas Radbruch, zum Zeitpunkt des Leyen-Deals Präsident des Europäischen Verbandes, hielt diese Großbestelltung schon damals für „hinausgeworfenes Geld“. Gegenüber der ARD sagte er:
Die Bestellung bis zu zehn Impfdosen pro EU-Bürger hat zu keinem Zeitpunkt aus immunologischer Sicht Sinn gemacht. Wir sind auch als europäische Immunologen dazu nicht gefragt worden. Wir hatten sogar ein Statement vorbereitet, in dem wir vor zu häufigen Boosten gewarnt haben. Das wurde nicht zur Kenntnis genommen.
Preis der Dosen bei Nachbestellung drastisch erhöht
Auch der Preis der Impfdosen wirft Fragen auf. Laut aufgetauchten Informationen, heißt es im ARD-Bericht, habe die EU beim Nachschlagskauf bei Pfizer wesentlich mehr bezahlt als bei den ersten Impfstoff-Lieferungen. Pro Dose habe sich der Preis von 15,50 Euro auf 19,50 Euro erhöht. Warum dies geschah, blieb bis dato ebenso geheim wie die Umstände des Mega-Deals.