Landeshauptmann Arno Kompatscher will weiter Landeshauptmann bleiben. Aber immer weniger Südtiroler vertrauen ihm und seiner SVP.

18. März 2023 / 08:11 Uhr

Noch sieben Monate bis zur Wahl – und beträchtliches Wählerpotenzial noch frei

Neben Niederösterreich, Kärnten und Salzburg findet 2023 noch eine wichtige Landtagswahl statt. Am 22. Oktober sind die Südtirolerinnen und Südtiroler aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen.

35 Mandate und Landeshauptmannsessel zu vergeben

Arno Kompatscher (Südtiroler Volkspartei, SVP, Schwesterpartei der ÖVP) tritt zum dritten und letzten Mal an und will den Landeshauptmannsessel und 41,9 Prozent für die SVP verteidigen. Im Landtag geht es um 35 Sitze, die alle fünf Jahre neu vergeben werden.

2018 hat das Team Köllensperger 15,2 Prozent, die Grünen 6,8 Prozent, die Freiheitlichen 6,2 Prozent und die Südtiroler Freiheit 6,0 Prozent der Stimmen erhalten. Auf italienischer Seite erreichte die Lega 11,1 Prozent, der linke PD 3,8 Prozent und die Fünf-Sterne-Bewegung 2,4 Prozent der Stimmen.

Stimmungsbild sieben Monate vor der Wahl

In sieben Monaten wird also der neue Landtag in Bozen gewählt – Zeit für ein erstes Stimmungsbild.

Es zeichnet sich ein Dilemma auf deutscher Seite ab. Drei Oppositionsparteien, das Team Köllensperger, die Freiheitlichen und die Grünen, scheinen vor allem damit beschäftigt, sich als Koalitionspartner der SVP anzubieten. Einzig die Südtiroler Freiheit spielt da nicht mit.

Team Köllensperger in Auflösung

Das als Bürgerbewegung angetretene Team Köllensperger hat seit der letzten Landtagswahl auf seinem Weg zwei von sechs Abgeordneten verloren und sich mittlerweile auf „Team K“ umbenannt. Nach dem grandiosen Wahlsieg 2018, als es die Oppositionsstimmen der abgestürzten Freiheitlichen geerbt hatte, stürzte Köllensperger noch am gleichen Abend selbst ab, indem er laut über eine Regierungsbeteiligung fabulierte. Dafür hatten ihn die Wähler nicht gewählt. Daran hat sich seither nichts geändert.

Bei der italienischen Parlamentswahl schnitt das Team K deshalb entsprechend bescheiden ab. Das Ergebnis würde bei Landtagswahlen nur mehr für zwei Mandate reichen.

Neue Parteiobfrau bei Freiheitlichen

Die Freiheitlichen haben vor fünf Wochen eine neue Landesvorsitzende, Sabine Zoderer, zur Parteiobfrau gewählt. Allerdings ist es nicht gelungen, die Wahl durch eine nennenswerte Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten.

Ihr Vorgänger, Andreas Leiter Reber, war seinerzeit 17 Monate vor den Landtagswahlen in seine Funktion gekommen. Die neue Vorsitzende hat nicht einmal die halbe Vorlaufzeit. Daran sollte es allerdings nicht liegen, wenn richtige Akzente gesetzt werden.

Südtiroler Freiheit noch nicht erholt

Auch bei der Südtiroler Freiheit scheint seit dem Dämpfer von 2018 – sie hatte 1,2 Prozentpunkte verloren – die Luft heraus zu sein.

Italienische Seite zerstritten

Glücklicherweise sieht es auf italienischer Seite nicht viel besser aus. Dort ist die Lega in Turbulenzen. Nachdem Ende 2019 einer der vier Landtagsabgeordneten ausgetreten ist, hat Mitte Februar der ehemalige Parlamentsabgeordnete Filippo Maturi die Partei wegen des Vorwurfs der Spesenabrechnungs-Abzockerei verlassen, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Mit ihm verließ ein Viertel der Gemeinderäte und Parteifunktionäre der Lega in Südtirol das Schiff.

Es deutet alles daraufhin, dass Alessandro Urzì, jetzt Parlamentsabgeordneter der „Brüder Italiens“ (Fratelli d’Italia, stellen aktuell die Ministerpräsidentin Italiens) der große Gewinner sein wird. Die „Brüder“ werden wohl die neue Italienerpartei in Südtirol werden.

Neue Liste von Renate Holzeisen?

Schon bei den italienischen Parlamentswahlen hatte sich gezeigt, dass ein beträchtlicher Wähleranteil auf deutscher Seite auf der Suche nach einer Vertretung ist. Zur SVP, der einstigen Sammelpartei aller Deutschen, wollen sie nicht zurück, die anderen deutschen Parteien konnten bei ihnen auch nicht punkten. Bei der Parlamentswahl 2022 gaben sie schließlich Renate Holzeisen ihre Stimme.

Die Rechtsanwältin aus Bozen war für das Team Köllensperger 2018 in den Landtag gekommen, überwarf sich mit ihrem Mentor und nahm ihm bei der Parlamentswahl etliche Stimmen ab. Sie war das Sprachrohr des Corona-Widerstandes in Südtirol. Nach ihrem fulminanten Ergebnis von 7,2 Prozent in Südtirol überlegte sie damals, mit einer eigenen Liste bei den Landtagswahlen 2023 anzutreten.

Brachliegendes Wählerpotenzial

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Holzeisen bei der Wahl einen Erfolg einfahren könnte. 2008 und 2013 waren die Freiheitlichen mit einem Wählervertrauen ausgestattet worden (fünf bzw. sechs Mandate), das sie verspielt haben, weshalb 2018 das Team K groß wurde, weil die enttäuschten F-Wähler nicht zur SVP zurück wollten. Team K schaffte es, das Vertrauen schon nach einer Legislaturperiode zu dezimieren.

Themen wie in Österreich

Noch sind sieben Monate Zeit, um dieses Wählerpotenzial zu erreichen. Und die Themen liegen auf der Hand:

  • Teuerung im Wohnbau und für Energie. Wie in Österreich produziert und exportiert Südtirol massenweise Strom aus Wasserkraft. Die Stadt Bozen ist Haupteignerin der Etschwerke, eines der größten Stromproduzenten des Landes, und hat die Energiepreise gewaltig erhöht. Und die Politiker tun, als wüssten sie von nichts.
  • Corona-Aufarbeitung: Kompatscher sonnt sich, „alles richtig“ gemacht zu haben. Dabei hat er im entscheidenden Jahr 2020 fast dreimal so viele „Corona-Tote“ auf dem Konto wie in Nordtirol. Von den Impfschäden ganz zu schweigen. Da sind die geimpften Leute in Südtirol geradezu verängstigt.
  • Krankenhaus Bozen, das Prestigeprojekt der SVP. Das Krankenhaus soll zur Universitätsklinik „aufgewertet“ werden. Was zunächst nichts mehr bedeutet, als dass sich jeder Primar Universitätsprofessor nennen kann. Die SVP will die Ärzteausbildung ins Land holen – bisher ein wichtiges Verbindungsglied nach Nordtirol (früher Uni Innsbruck, jetzt MedUni Innsbruck). Auf die „Aufwertung“ zur Universitätsklinik soll in Kooperation mit einer Mailänder Universität erfolgen. Wie schon beim anderen Prestigeprojekt, der Universität Bozen, vor 25 Jahren, fördert die SVP mit jedem die Italianisierung des Landes. Ein altes Problem, doch die SVP schaut darüber hinweg, wie ein Blinder, der nichts sehen (will).

Somit liegt ein beträchtliches Wählerpotenzial brach, das irgendjemand in sieben Monaten einfangen wird.

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