Die nächste bittere Niederlage für ÖVP-Innenminister Karl Nehammer und die Wiener Polizei: Das Verwaltungsgericht Wien hat am 1. Juni festgestellt, dass auch die Untersagung einer privat angemeldeten Versammlung für den 31. Jänner in Wien zu Unrecht erfolgt war.
Richter zerriss Begründung gegen Untersagung in der Luft
Damit hat ein Gericht schon ein zweites Mal gegen ein Verbot der Corona-Demos entschieden. Schon im März wurde einer Beschwerde der FPÖ, deren Versammlung ebenfalls für den 31. Jänner untersagt worden war, recht gegeben. In der Begründung zerriss der Richter die von der Landespolizeidirektion Wien (LPD) vorgebrachte Begründung in der Luft.
Massive Verfahrensfehler der LPD Wien
Und nun folgte die zweite Ohrfeige für Nehammer und die LPD-Wien. Diesmal brachte Romana P. die Beschwerde ein – und auch hier gab es ein klares Urteil für sie und gegen die Willkür, solche Versammlungen zu verhindern. Im konkreten Fall verwies das Verwaltungsgericht auf massive Verfahrensfehler, die von Seiten der Polizei begangen wurden. Vor allem wurde kritisiert, dass die Behörde keine Bereitschaft zu Gesprächen mit der Veranstalterin zeigte. Wörtlich heißt es:
Die Behörde hat weder telefonisch, schriftlich, noch im Rahmen einer Ladung versucht, die Anzeigerin bspw. dazu zu bewegen, einen anderen Versammlungsort zu wählen oder bspw. die Teilnehmerzahl zu beschränken. Dadurch wurde die Versammlungsanzeigerin gehindert, ihre angezeigte Versammlung so zu modifizieren, dass sie nicht untersagt hätte werden müssen.
Bescheid aus formellen Gründen rechtswidrig
Diese Verfahrensfehler der Versammlungsbehörde sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichts durch das gerichtliche Verfahren nicht sanierbar – der Bescheid sei daher aus formellen Gründen rechtswidrig. Dadurch erübrige es sich, auf die inhaltlichen Argumente einzugehen.
Taktisches Dilemma für die Polizei
Nehammers Polizei fuhr – auf deutsch übersetzt – über geltende Praxis einfach drüber und räumte der Veranstalterin nicht ausreichend Parteiengehör ein. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die LPD Wien die Möglichkeit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ergreift. Allerdings ist unklar, ob der VwGH die Sache überhaupt annehmen darf, zumal in Fragen des Versammlungrechts grundsätzlich nur der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zuständig ist. An den kann sich die LPD Wien aber nicht wenden, das sie nicht Trägerin von Grundrechten ist.
Für die LPD Wien bedeutet die Causa ein taktisches Dilemma, das weitreichende Auswirkungen im Sinne einer deutlich verschärften Begründungspflicht bei Untersagung von Versammlungen und Demonstrationen haben kann.