Vor wenigen Tagen hat der ORF über die Androhung der EU-Kommission berichtet, die ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Vereinigte Königreich einleiten will. Es geht dabei um das sogenannte „Nordirland-Protokoll“, das vor wenigen Jahren verhandelt, aber von London nicht umgesetzt worden sei. Geschrieben wird darüber, dass es nun zwei Monate Zeit gäbe, damit die britische Regierung auf das Mahnschreiben der EU-Kommission schriftlich reagieren könne und sogar Strafzahlungen im Raum stünden, wenn es zu einer Klage kommt.
Kein EU-Mitglied
Doch die Frage, die sich stellt: Hat die EU überhaupt noch die Befugnis, das Vereinigte Königreich mit einer Vertragsverletzungsklage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu belangen? Denn Großbritannien ist seit einigen Jahren nicht mehr Mitglied der EU. Der EuGH ist nur für EU-Staaten zuständig.
Nun gibt es EU-Gesetze, die nicht nur für die EU, sondern auch für EWR-Staaten und die Schweiz gelten. Für den EWR ist allerdings der EFTA-Gerichtshof zuständig. Und für die Schweiz das eigene Gericht, etwa als Höchstgericht das Schweizer Bundesgericht. Logisch erscheint daher, dass England vor dem EuGH nicht verklagt werden kann. Fraglich ist, ob sich die EU-Kommission an den High Court of Justice wenden darf.
Die EU hat mit Großbritannien ein Austrittsabkommen abgeschlossen, in dem Klagen bis zu einer gewissen Übergangsfrist geregelt sind. Allerdings beziehen sich die Klagen nur auf bestimmte Gesetze im Unionsrecht, womit man gespannt sein darf, ob sich der EuGH im aktuellen Rechtsstreit für zulässig erklären wird.