Während der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in Österreich oft erst ein Jahr nach einer Verordnung der Bundesregierung diese aufhebt, geht es in Bayern viel schneller. Jetzt hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Eilverfahren die „2G“-Regel von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) “gekippt”.
Bekleidung als “Deckung des täglichen Bedarfs”
Bekleidungsgeschäfte in Bayern dienen genauso wie Buchhandlungen oder Blumenläden der „Deckung des täglichen Bedarfs“ und unterliegen somit nicht der „2G-Regel“. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am Mittwoch entschieden. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Markus Söder hatte Anfang Dezember verfügt, dass im Einzelhandel nur noch Geimpfte und Genesene Zugang haben, Ausnahme: Ladengeschäfte „zur Deckung des täglichen Bedarfs“. Diese Diksriminierung von Impffreien ging bei den Richtern des Verwaltungsgerichtshofes nicht durch. Sie erweiterten den Begriff “täglicher Bedarf”.
Häufigere Tagung des VfGH gefordert
FPÖ-Nationalratsabgeordnete Dagmar Belakowitsch sagte heute, Donnerstag, im Rahmen einer Pressekonferenz dazu, dass die Freiheitlichen schon mehrmals gefordert hätten, dass auch bei uns der VfGH häufiger tagen soll. Dies wäre vom politisch besetzten Gremium aber nie umgesetzt worden. Was man bräuchte, so Belakowitsch, wäre ein mit unabhängigen Richtern besetzter Verfassungsgerichtshof, der schnell Entscheidungen treffe.
So aber würden Verordnungen der Bundesregierung oft erst ein Jahr (oder viel später) nach Inkrafttreten gekippt. Erst dieser Tage hatte der VfGH entschieden, dass die Sperre von Grazer Spielplätzen im April 2020 gesetzwidrig war – also eineinhalb Jahre nach der entsprechenden Verordnung.
Ein Grazer, der den Spielplatz betreten hatte, wurde mit 600 Euro abgestraft und klagte erfolgreich.
Stellungnahme des Verfassungsgerichtshofes
Die Mediensprecherin des Verfassungsgerichgtshofes sagte, dass man den Verwaltungsgerichtshof in Bayern mit dem Verfassungsgerichtshof in Österreich nicht vergleichen könne. Sie gab zum Vorwurf, der VfGH würde nicht häufig genug tagen und späte Enrtscheidungen treffen, folgende Stellungnahme ab:
Beide Seiten hören
Anträge, die in den vergangenen Wochen beim VfGH eingegangen sind und Maßnahmen gegen die Pandemie wie die 2G-Regel für die Gastronomie oder den Lockdown für Ungeimpfte zum Inhalt haben, befinden sich derzeit im Vorverfahren. Der VfGH hat also je nach den angefochtenen Gesetzen oder Verordnungen die Bundesregierung, das zuständige Bundesministerium, Landeshauptleute oder Bezirkshauptmannschaften um eine Stellungnahme zu den Argumenten der Antragsteller gebeten – er hört damit, wie es in einem Rechtsstaat vorgesehen ist, beide Seiten.
Richterkollegium berät wieder im Februar
Die Frist für solche Stellungnahmen beträgt üblicherweise etwa sechs Wochen. Erst nach Einlangen der Stellungnahmen kann eine/r der 14 RichterInnen einen Entscheidungsentwurf vorbereiten. Dann berät das Richterkollegium gemeinsam über den Fall. Auch in den Beratungen im Dezember haben die 14 Richterinnen und Richter wieder über zahlreiche Fälle betreffend Corona entschieden. (Siehe COVID Dezember 2021 – Der Österreichische Verfassungsgerichtshof (vfgh.gv.at)) Wegen des Vorverfahrens konnten im Dezember aber eben noch nicht alle Fälle behandelt werden. Das Richterkollegium berät das nächste Mal im Februar (die Zeit dazwischen wird ja benötigt, um für das „Plenum“ die Entscheidungsentwürfe vorzubereiten.)
350 von 400 Fällen erledigt
Seit April 2020 sind beim VfGH insgesamt etwa 400 Fälle mit Corona-Bezug eingegangen; etwa 350 davon sind bereits erledigt. In den kommenden Monaten wird der VfGH Anträge und Beschwerden nach ihrem Einlangen am Gerichtshof ebenso zügig bearbeiten. Wie die Statistik aus dem Vorjahr zeigt, dauert ein Verfahren am VfGH im Durchschnitt knapp vier Monate. Das ist im internationalen Vergleich hervorragend.