Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Journalisten mit ihrer Unkenntnis blamieren. So geschehen war es die Standard-Schreiberin Petra Stuiber, die sich in einem Kommentar dem Leitantrag des jüngsten Parteitags der ÖVP gewidmet hat. In diesem Antrag geht es darum, dass Sozialleistungen an die Integration gekoppelt werden sollen. Auf den Antrag geht unzensuriert inhaltlich nicht ein, vielmehr soll der Standard-Kommentar unter die Lupe genommen werden.
Dabei ließ Stuiber folgende Zeilen von der Feder:
Sozialleistungen sind keine Charity-Veranstaltung der Regierung. Es handelt sich um Rechte, die ein Mensch erwirbt, wenn er oder sie arbeitet, Steuern und Abgaben zahlt, sozialversichert ist. Sozialleistungen stehen den Menschen in diesem Lande zu und dienen unter anderem der Armutsvermeidung.
Es ist in Österreich zum Glück nicht möglich, „Ausländer“ per se zu Menschen zweiter Klasse zu machen. Das verbietet zuallererst die Verfassung. Die ÖVP-Spitze weiß das nur zu gut.
Inhaltich stimmt kein einziges Wort. Eine wesentliche Sozialleistung ist die Mindestsicherung. Sie wird auch dann bezahlt, wenn der Österreicher keinen Tag gearbeitet hat. Die Mindestsicherung wird übrigens auch an Asylberechtigte bezahlt, die in Österreich nie einer Arbeit nachgegangen sind. Also Personen, die um internationalen Schutz angesucht haben und im Zuge des Asylverfahrens die Grundversorgung kassieren. Vier Monate nach positivem Bescheid erfolgt der Wechsel von der Grundversorgung in die Mindestsicherung.
Sozialleistung und Sozialversicherungsleistung
Jene Leistungen, die ein Menschen erwirbt, weil er Steuern und Abgaben bezahlt, heißen nicht „Sozialleistungen“, sondern „Sozialversicherungsleistungen“. Das ist ein wesentlicher Unterschied und hätte Stuiber auffallen müssen, da sie selbst schreibt, dass die Menschen versichert sind.
Solche Leistungen sind das Arbeitslosengeld, die Krankenversicherung und Beiträge in die Pensionsversicherung. Selbst die Ausgleichszulage, die allgemein als „Mindestpension“ bekannt ist, ist keine Sozialleistung. Es handelt sich dabei um eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung, die Menschen erhalten, die trotz langer Erwerbstätigkeit eine niedrige Pension bekommen.
Und wenn Stuiber meint, dass es nicht möglich ist, dass in Österreich Menschen zu zweiter Klasse gemacht werden können, so muss man einwenden, dass das sehr wohl zum Glück möglich ist. Dies wird nicht durch die Verfassung verboten und sogar durch das Unionsrecht ermöglicht.
EU-Recht hat strenge Integrationsregeln
Die EU-Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38 sieht sogar strenge Regeln vor, damit Ausländer eben nicht vom ersten Tag an die Sozialhilfeleistungen eines Staats in Anspruch nehmen können. Will ein EU-Bürger nach Österreich ziehen, muss er nach drei Monaten Aufenthalt eine Anmeldebescheinigung beantragen. Diese bekommt die Person nur dann, wenn sie krankenversichert ist, eine Erwerbstätigkeit oder so viel Vermögen vorweisen kann, dass davon auszugehen ist, dass sie keine Sozialhilfe beantragen braucht.
Werden die Voraussetzungen nicht erfüllt, darf der EU-Bürger ausgewiesen werden. Er muss zurück in seine Heimat. Erst nach fünf Jahren ununterbrochenen Aufenthalt darf im Aufnahmestaat der Daueraufenthalt beantragt werden. Und erst dann haben EU-Bürger ein Recht auf die Sozialleistungen des Staats. Ähnliche Regeln gibt es für Drittstaatsangehörige.
Stuibers Unkenntnis der Sachlage fiel auch in der Standard-Redaktion niemand auf. Eben “Haltungsjournalismus” und nicht Qualitätsjournalismus.