Denjenigen Lesern, die sich an die geniale Serie „Monaco Franze“ rund um den Münchner Kriminalkommissar Franz Münchinger erinnern, dürfte vielleicht auch die Folge „Die italienische Angelegenheit“ bekannt sein. Darin plagt sich der Kommissar mit seiner anhänglichen, nervigen Geliebten Elli, die kein Fettnäpfchen auslässt, und er stöhnt des Öfteren: „Immer dieses G‘scher mit der Elli!“.
Kommentar von Dr. Susanne Fürst
Mag Finanzminister Blümel sich in den vergangenen Monaten gehäuft gedacht haben: „Immer dieses G‘scher mit dem Thomas Schmid“, so wird Bundeskanzler Kurz in diesen Tagen kaum umhinkommen, eben diesen Gedanken im Zusammenhang mit seinem Freund Blümel zu haben.
Der jüngste Patzer mit der unterlassenen Aktenlieferung an den Untersuchungsausschuss wäre nun wirklich vermeidbar gewesen, da die Lieferung ab dem Entscheid des Höchstgerichts nicht mehr zu umgehen war. Die Unterlassung war überheblich, kurzsichtig und sinnlos.
Da hat man ja noch mehr Verständnis dafür, dass Blümel während der Hausdurchsuchung bei ihm die Ehefrau mit dem Laptop im Kinderwagen spazieren schickt. So problematisch diese Aktion für einen Minister auch ist, so ergibt sie zumindest einen nachvollziehbaren Sinn aus der Sicht eines Beschuldigten, nämlich die Vorenthaltung von kritischen Daten auf dem Gerät gegenüber den Strafverfolgungsbehörden.
Auch die vielen Erinnerungslücken bei der Befragung im Untersuchungsausschuss entsprachen wohl dem anwaltlichen Rat an den Finanzminister, da jedes Wort zuviel schlecht ausgehen kann, wie man nun beim Bundeskanzler sieht. Dies gilt vor allem dann, wenn man die Wahrheit nicht auf seiner Seite hat.
Die Chronologie zur Aktenlieferung – „Ich fühle mich der Verfassung verpflichtet“
Der Finanzminister kam dem legitimen Verlangen der Opposition, Akten an den Untersuchungsausschuss zu liefern, seit Monaten nicht nach. Dies mit dem Hinweis, dass einerseits die Unterlagen zu umfassend seien (!) und zum anderen der Datenschutz von Mitarbeitern verletzt werde (!). Da er sich der „Verfassung verpflichtet fühle“, wie er in seinem bemerkenswerten ZiB2-Interview vom 11. Mai betonte, gab es keinen anderen Weg.
Der Ausschuss befasste den Verfassungsgerichtshof, der bereits im März dem Begehren der Opposition nachgab und dem BMF die Aktenlieferung ganzer Email-Postfächer leitender Beamter auftrug. Bis Anfang Mai geschah nichts, sodass sich der U-Ausschuss an das Höchstgericht wandte, das Erkenntnis durchzusetzen. Dieses trug dem Bundespräsidenten die Durchsetzung auf, dem dafür diverse Behörden zur Verfügung stehen, um die Exekution zu realisieren. Dazu kam es nicht mehr, da der Finanzminister die Akten am Abend desselben Tages in Papierform und mit hoher Geheimhaltungsstufe lieferte.
Blümels Argumente – „Ich bin überzeugter Demokrat“
Die Vorlage ganzer Postfächer mehrerer Beamter aufgrund ihrer „abstrakten Relevanz“ für den Ausschuss ist in der Tat sehr heikel. Es geht etwa um Mails von Abteilungsleitern und Mitarbeitern aus dem Ministerium an Thomas Schmid, aus denen man etwaige Rückschlüsse auf die ÖBAG-Vorgänge ziehen kann. Aus den bisherigen Erfahrungen weiß man, dass jedes einzelne Mail oder SMS „als Zufallsfund“ aus dem Zusammenhang gerissen, in ein schiefes Licht gerückt oder aus einem Scherz oder einer privaten Anmerkung eine mediale Empörungswelle kreiert werden kann.
Zu Recht meinte die Finanzprokuratur (als „Anwalt der Republik“ und von Finanzminister Blümel) in der Person von Wolfgang Peschorn, dass es „eine pauschale Vorlage von E-Mail-Fächern noch nie gegeben“ hätte und dass es problematisch sei, dass vieles nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst sei. Das ist völlig zutreffend, doch vergaßen sowohl er, als auch Blümel, je zu erwähnen, dass der Finanzminister seiner Begründungspflicht nicht nachkam.
Das Höchstgericht wies in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass die pauschale Übermittlung der Postfächer ungewöhnlich, aber nur deshalb notwendig geworden sei, weil der Finanzminister zu keinem Zeitpunkt darlegte, welche Unterlagen er aus welchen Gründen für nicht relevant hielt. Er hätte dies begründen können bzw. müssen, um überflüssige Unterlagen, die mit dem Untersuchungsgegenstand nichts zu tun haben, auszuscheiden.
Doch Blümel verweigerte die Lieferung zur Gänze mit dem allgemeinen Hinweis auf den Datenschutz der Mitarbeiter und weil die Unterlagen zu umfangreich seien. Diese kurz angebundene Abkanzelung eines höchstgerichtlichen Begehrens war überheblich und wenig erfolgversprechend; ein „überzeugter – und auch taktisch kluger – Demokrat“ sieht anders aus.
Die Lieferung – Ausgedruckte Mails „top secret“
Wie ein trotziges Kind lieferte der Finanzminister die Konversationen nicht in elektronischer Form, sondern nur ausgedruckt in unzähligen Kartons und mit hoher Geheimhaltungsstufe. In die Kartons mit eingepackt sind auch Zeitungsartikel oder umfangreiche Studien, die öffentlich zugänglich sind.
Diese Art der Lieferung soll wohl den Abgeordneten des Ausschusses das Leben und die Arbeit möglichst schwer machen. Denn eine effiziente elektronische Suche mit relevanten Wörtern ist dadurch verunmöglicht und aufgrund der Geheimhaltungsstufe müssen sich die Abgeordneten in einen Keller ohne Kopiermöglichkeit begeben.
Ob angesichts der mehrfach zitierten, besonders sensiblen Krankenstandsdaten der Mitarbeiter die Geheimhaltungsstufe 3 notwendig ist, bleibt mehr als fraglich. Diese kommt bei Gefahr der nationalen Sicherheit und bei Gefahr von Leib und Leben in Betracht. Naja… Man könnte das Vorgehen des Finanzministers mit Fug und Recht als Schikane bezeichnen.
Der Datenschutz der Betroffenen – „Ich wollte sensibel vorgehen“
Ja, es besteht bei der Lieferung der Unterlagen die Möglichkeit, dass auch private und persönliche elektronische Korrespondenz von Personen in Verwaltung, Regierung und Wirtschaft an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Es geht in der Tat um die Grundrechte auf Privatsphäre und auf Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse Dritter und Amts- und Telefongeheimnis dieser Beamten. Der Finanzminister sprach insbesondere vom Schutz gesundheitsrelevanter Daten wie Aufzeichnungen von Krankenständen.
Nun, es ehrt den Bundesminister, wenn er in dieser Frage den Datenschutz so hochhält. Doch einem Aktenlieferungsantrag ist Folge zu leisten, und wenn er den Aufwand scheut, seiner Begründungspflicht nachzukommen, muss er alles liefern. Dass es mit der Geheimhaltung nicht weit her ist, ist ein Problem, dem man anders beikommen muss.
Und ich wundere mich doch über die plötzliche Sensibilität des Finanzministers in Sachen Datenschutz, da sämtliche Bürger mit der Einführung des “grünen Passes” – den er als Mitglied der Bundesregierung befürwortet – eine Reihe von gesundheitsrelevanten Daten schonungslos offenlegen müssen, andernfalls sie nicht am öffentlichen Leben teilhaben dürfen. Bei diesem Thema ist es mit der Sensibilität des Finanzministers nicht weit her.
Was sagen die Ministerkollegen und der Bundeskanzler zu Blümel?
Interessant ist die Verteidigungslinie (= das „Wording“) der ÖVP-Ministerkollegen und des Bundeskanzlers. Auch sie entdecken plötzlich die Grundrechte der Bürger wieder und dabei besonders das Recht auf die Privatsphäre und auf die eigenen Daten.
Der hochsensible Innenminister Karl Nehammer versteht, „wenn Blümel den Aspekt des Datenschutzes hochhält, den hier gehe es um einen Grundrechtsausgleich.“ Sehr interessant; für Kritiker der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung gilt dieser Grundrechtsausgleich seltsamerweise nicht. Aber es handelt sich da ja in den Worten des Innenministers um “Coronaleugner” bzw. “Lebensgefährder”…
Kollegin Elisabeth Köstinger spricht ebenfalls von sehr „sensiblen, persönlichen Daten von Mitarbeitern, hier habe der Finanzminister auch eine Sorgfaltspflicht“. Die Abschaffung der Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss wollte sie auch nicht gleich verteufeln. Köstinger ist einer der Betreiberinnen des “grünen Passes”, damit wir nach ihrer Logik die Reisefreiheit zurückerlangen (die uns die Regierung rechtswidrig vorenthält). Bei diesem Thema spielen die persönlichen Daten der Bürger wiederum keine Rolle. Beim Thema Wahrheitspflicht hat Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka leider vergessen, Köstinger darüber zu informieren, dass er bereits wieder zurückgerudert ist.
Und nicht zuletzt der Bundeskanzler verteidigt sein Familienmitglied Gernot Blümel mit den Worten, „es sei schwierig und heikel, abzuwägen zwischen Datenschutzinteressen von Mitarbeitern, vor allem bei Gesundheitsdaten“(!). Ich kann mich nur wiederholen. Offensichtlich sind die Krankenstandsdaten von Mitarbeitern des Finanzministeriums ganz besonders schützenswert, während die Daten aller Bürger über ihren „Corona-Zustand“ nicht unter die schützenswerten persönlichen Gesundheitsdaten fallen. Zudem ist in der für Juni geplanten Novelle des Epidemiegesetzes eine noch viel umfangreichere Offenlegungspflicht der Bürger in Bezug auf Gesundheitsdaten – ohne jeden Zusammenhang mit Corona – im Rahmen des “grünen Passes” enthalten. Hier gibt es keine Datenschutzbedenken der Bundesregierung. Man bleibt ratlos zurück.
Die Anklage – „Wird nicht passieren“
Gegen Ende des ZiB2-Interviews gewinnt der Finanzminister wieder die Oberhand. Auf die Frage von Armin Wolf, was passiert, wenn Anklage gegen ihn erhoben werden würde, meinte er mit einem siegessicheren Lächeln: „Das wird nicht passieren.“
Ich weiß nicht, ob der Finanzminister bedenkt, dass es einige Herren aus dem Justizministerium, die solch störende Ermittlungen „daschlogen“ hätten können, nicht mehr gibt. Laut Vizekanzler Werner Kogler würden nun die Grünen dafür Sorge tragen, dass „unabhängig ermittelt“ werden kann. Da würde mir an Stelle von Finanzminister Blümel das Lächeln gefrieren. Er mag sich dann denken: „Immer dieses G‘scher mit dem Koalitionspartner.“
Dr. Susanne Fürst ist Rechtsanwältin und seit 2017 Nationalratsabgeordnete der FPÖ. Im Freiheitlichen Parlamentsklub ist sie Obmannstellvertreterin und für die Bereiche Verfassung, Menschenrechte und Geschäftsordnung verantwortlich. Zudem vertritt sie die FPÖ im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. Fürst schreibt für unzensuriert regelmäßig die Kolumne „Rechtsansicht“.