Finanzminister Gernot Blümel brüstete sich unlängst mit FABIAN. Dass das IT-Programm des Finanzamts mehr 13 Millionen Euro Steuergeld verschlungen hat und nicht EU-kompatibel ist, wird nicht erwähnt.

20. April 2021 / 00:00 Uhr

Familienbeihilfe: Blümels Programm FABIAN verschlang bisher mehr als 13 Millionen Euro

Am 26. März dieses Jahres gab es einen Pressedienst des Finanzministeriums, bei dem das Familienbeihilfeprogramm FABIAN vorgestellt wurde. Darin brüstete sich ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel gemeinsam mit seiner Amtskollegin Susanne Raab darüber, dass mit FABIAN die Familienbeihilfe so unkompliziert wie möglich gemacht wurde. Medial fand der Pressedienst keine Erwähnung. Lediglich die billige und ÖVP-nahe „Unzensuriert-Kopie“ mit dem Namen zur-sache.at nahm sich des Themas an. Die Leser erfahren dabei nichts über die teuren Kosten, die das Programm verschlungen hat. Würde dies die Öffentlichkeit erfahren, gäbe es wohl eher schlechter Presse.

Im Pressedienst des Finanzministeriums liest man über FABIAN wie folgt:

Denn was die Wenigsten wissen: Hinter der Familienbeihilfe verbergen sich unterschiedlichste Fallkonstellationen, so ergeben sich z. B. für das Jahr 2020 je nach Situation rund 5.400 verschiedene mögliche Familienbeihilfenbeträge je Kind und je Monat. Im Pandemie-Jahr 2020 wurden rund 4,1 Milliarden Euro an Familienbeihilfe ausbezahlt. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer lag bei 27 Tagen.

5.400 möglich Familienbeihilfe-Beträge?

Die 5.400 verschiedenen Familienbeihilfe-Beträge wirken auf den ersten Blick gigantisch. Allerdings handelt es sich dabei um nichts Außergewöhnliches, das auch nur eine Zeile wert wäre. Grundsätzlich unterscheidet sich die Familienbeihilfe in der Auszahlungshöhe insofern davon, wie alt das Kind ist. Allerdings muss Österreich laut EU-Recht auch Familienbeihilfe für Kinder bezahlen, die im Ausland wohnhaft sind. Es gibt auch Konstellationen, bei denen der Wohnstaat zuerst seine Familienbeihilfe bezahlen muss, während Österreich eine Differenzzahlung (also seine Familienleistung abzüglich des Betrags, die der Wohnstaat bezahlt hat) bezahlen muss. Und da viele Staaten einkommensabhängige Familienbeihilfen haben und daher, je nach Einkommenshöhe, unterschiedlich hohe Beiträge an Eltern bezahlt werden, erklärt sich, warum Österreich eben tausende unterschiedlich hohe Differenzzahlungen zu überweisen hat.

Unzensuriert-Leser kennen FABIAN bereits aus diversen Berichten. Der Pressedienst des Finanzamts hätte daher um folgenden Absatz ergänzt werden können:

Denn was die Wenigsten wissen: Hinter FABIAN verbirgt sich ein extrem teures Projekt, das derzeit fast 13,5 Millionen Euro an Entwicklungskosten verschlungen hat. Laut Rechnungshofbericht wurden ursprünglich 13 Millionen Euro budgetiert, womit wir den Kostenrahmen nicht eingehalten haben. Seit 2003 gab es Projekte, die mehrmals abgebrochen wurden. Welche Kosten damals entstanden sind, wissen wir nicht mehr. Außerdem ist FABIAN noch immer nicht ganz fertig entwickelt.

Es ist faktisch das „Kleingedruckte“, das deswegen bekannt wurden, weil die freiheitliche Frauensprecherin Rosa Ecker mehrmals zu FABIAN parlamentarische Anfragen eingebracht hat.

Sie ist auch der Ansicht, dass FABIAN viel zu teuer entwickelt wurde:

Um einen Anspruch auf Familienbeihilfe festzustellen, braucht es kaum Parameter. Wesentliche Informationen sind der Wohnsitz der Kinder, das Alter der Kinder, Daten über den Familienbeihilfebezieher, und bei grenzüberschreitenden Sachverhalten muss geprüft werden, ob Familienleistungen aufgrund einer Beschäftigung, eines Rentenanspruchs oder eines Wohnortanspruchs bezahlt werden müssen. Selbst die Berechnung der Differenzzahlungen oder der Ausgleichszahlungen kann keine Unsummen verursachen. Hier wurden Millionen Euro an Entwicklungskosten verpulvert – eine derartige Steuergeldverschwendung ist einfach nicht nachvollziehbar!

FABIAN ist jedenfalls nicht an das europäische System EESSI angebunden. Über dieses Programm hat unzensuriert ebenfalls mehrmals berichtet. Es handelt sich dabei um den von der EU verpflichtend vorgesehenen elektronischen Datenaustausch im Bereich der Sozialversicherungsleistungen und anderen „Leistungen der sozialen Sicherheit“, zu denen auch Familienleistungen gehören. Die EU hat das IT-Programm EESSI zur Verfügung gestellt, aber anbinden müssen sich die nationalen Staaten mit eigenen Programmen. FABIAN ist nicht angeschlossen. Stattdessen hat Österreich EDGA.web, das allerdings vom Dachverband der Sozialversicherungsträger administriert wird.

Im Juni 2019 hieß es vom Finanzministerium auf eine Anfrage von unzensuriert:

Das BMF mit den nachgeordneten Finanzämtern ist lediglich einer von 264 österreichischen Trägern, die vorerst über EGDA.WEB angebunden werden.

Die Finanzämter können daher FABIAN nicht direkt nutzen, um grenzüberschreitende Sachverhalte bei der Familienbeihilfe zu prüfen, sondern müssen nebenbei auch noch EDGA.web verwenden. Immerhin geht es um mehr als 132.000 Kinder, die im Ausland wohnhaft sind, und tausende Kinder, die in Österreich wohnhaft sind, aber ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, weil etwa ein Elternteil in einem anderen Staat erwerbstätig ist. Man darf gespannt sein, wie teuer die Entwicklungskosten sein werden, bis FABIAN endgültig alle Anforderungen erfüllt. Entsprechennde parlamentarische Anfragen werden folgen.

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