In Italien hat am Samstag mit Mario Draghi faktisch die Europäische Zentralbank (EZB) die Regierung übernommen. So schnell war die Regierung Guiseppe Conte vom Tisch.
Seit Matteo Renzi und seine neue Partei „Italia Viva“ die linke Regierungskoalition unter Federführung der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Mitte Jänner verlassen hatte, war es Conte nicht gelungen, eine stabile und sichere Mehrheit zustande zu bringen.
Streit ums liebe Geld
Hintergrund der neuen Regierungsbildung sind Instabilität und das Geld. Dabei geht es um deutlich mehr als jene 200 Milliarden Euro aus dem Europäischen Solidaritätsfonds, an dem sich die Regierungskrise entzündet hatte. Conte hatte sich lange geziert, dieses Geld zu nehmen, weil er mehr wollte. Das war schon im vergangenen Jahr Konfliktpunkt zwischen Rom und der EU.
Die EU gab zu verstehen, eine breite, stabile Regierung sehen zu wollen. Am besten alle mitgehangen und damit mitgefangen. Und alle Parteien wollen am Kuchen sitzen und mitverteilen. Das Ergebnis: eine Fast-Allparteienregierung. Nun gibt es in Rom eine Regierung, die EU-konform handelt und das Geld kassiert. Die Operation erinnert an die Gerüchte von Versuchen zur Bildung einer Allparteienregierung durch Sebastian Kurz (ÖVP) in Österreich.
Teure Allparteienregierung
Eine Allparteienregierung kostet. So wird Italien ab jetzt 24 Kabinettsmitglieder haben, Draghi als Chef und 23 Minister. Die bisherigen Koalitionsparteien erhielten dabei am meisten: M5S vier Minister, PD drei, Renzis Italia Viva sowie die radikale Linke einen Minister – kurzum das gesamte linke Lager wie bisher, das allein locker die absolute Mehrheit hätte. Aber dem war nicht genug.
Auch die gesamte Rechte, ausgenommen die rechtskonservativen „Brüder Italiens“ (Fratelli d’Italia). Anders gesagt: Auch die nur mehr kleine Forza Italia vom ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wird mit satten drei Ministern ruhiggestellt. Aber auch die EU-kritische Lega des beliebten Ex-Innenministers Matteo Salvini wurde mit drei Ministerposten eingekauft.
Ministerposten fürs Nichtstun
Im riesigen Kabinett gelten acht Minister und Draghi als Unabhängige (also parteilos), acht Minister sind ohne Geschäftsbereich und acht Minister haben eine Parteizugehörigkeit. Die Lega wie Berlusconis Partei haben je zwei Minister ohne Geschäftsbereich. Die Lega erhielt zudem das Ministerium für Tourismus (in Corona-Zeiten!).
Alle anderen kleineren Parteien, darunter die ÖVP-Schwesterpartei in Südtirol, SVP, unterstützen die Regierung von außen.
Rechtskonservatives gallisches Dorf
Wie gesagt, einzige Ausnahme sind Giorgia Melonis „Brüder Italiens“. Die Präsidentin der Europapartei „Europäische Konservative und Reformer“ lehnte den Einkauf ab.
Das ist auch deshalb leicht möglich, weil sich ihre Partei seit der Regierungskrise vom Sommer 2019 im Aufwind befindet. Sie hat gute Aussicht, die Lega als größte Gruppe im rechten Lager abzulösen.
Kein Einzelfall
Vorerst sieht es so aus, als habe das EU-Establishment wieder einmal in einem Mitgliedsstaat eine Regierung nach ihren Wünschen „erfunden“ und durchgesetzt. Die ökonomische Lage muss ziemlich prekär sein. Und die EU dürfte gehörig Druck gemacht haben.
Nun brodelt es allerdings im M5S. Bei einer internen Basisabstimmung obsiegte ganz knapp die Teilnahme an der Allparteienregierung. Eine große Gruppe seiner Abgeordneten fordert nun aber eine erneute Abstimmung, weil die erste nicht korrekt verlaufen sein soll. Es droht eine Spaltung.