Ausgerechnet jetzt, wo in ganz Europa wieder über einen “Lockdown” diskutiert wird und dieser auch in Österreich immer näher rückt, schmeißt eine Studie aus Japan all diese Überlegungen über den Haufen.
Japan als “Game-Changer”
Auf der Seite von ScienceFiles – Kritische Sozialwissenschaften kommen die Autoren zum Schluss, dass ein “Lockdown” nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich sei. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung, die Sawako Hibino, Kazutaka Hayashida, Andrew C. Ahn und Yasutaka Hayashida gerade auf medRxiv veröffentlicht haben. Ihrer Meinung nach sei Japan ein “Game-Changer”.
Höhere Bevölkerungsdichte
Wie Schweden, das viel glimpflicher durch die Corona-Krise kam, hat auch Japan die Pandemie ohne “Lockdown” viel besser gemeistert als europäische Länder. Und das, obwohl Japan aufgrund seiner Bevölkerungsdichte schlechtere Voraussetzungen hatte, wie ScienceFiles berichtet:
Seit Beginn der Pandemie wurden 96.534 Japaner positiv auf SARS-CoV-2 getestet. 1.711 Japaner sind an COVID-19 verstorben. Japan hat 126,5 Millionen Einwohner, pro einer Million Einwohner sind somit 14 COVID-19 Tote zu beklagen.
In Japan gab es zwei Wellen, eine im Frühjahr und eine im Sommer, die Ende Juni beginnt und andauert. Die zweite Welle ist von geringerer Mortalität begleitet als die erste Welle.
Erste und zweite Welle von alleine abgeebbt
In Japan gab es zu keinem Zeitpunkt einen “Lockdown”, Arbeitsplätze blieben geöffnet, die öffentlichen Verkehrsmittel fuhren wie eh und je, das soziale Leben war in keiner Weise eingeschränkt, Restaurants, Fitness-Studios usw. blieben geöffnet. Das öffentliche Leben hat in diesem Jahr weitgehend ungestört von SARS-Cov-2 funktioniert.
Die zweite wie die erste Welle sind nach ein paar Wochen von alleine abgeebbt. Die Studien-Autoren meinen, dass das Ergebnis aus Japan das bisher eindrucksvollste Indiz dafür sei, dass das Zusperren eines Landes mehr Schaden anrichte als es nütze.
“Lockdowns” zögern Pandemie hinaus
Was könnten die Gründe sein für diesen erfolgreichen japanischen Weg?
In der Studie werden folgende Punkte angeführt:
• Offenkundig hat die leichte Verbreitung, die SARS-CoV-2 in Tokio im Besondern und Japan im Allgemeinen findet, engen Wohnverhältnissen und überfüllten Bussen und Bahnen, dazu geführt, dass ein großer Teil der Bevölkerung Antikörper entwickelt hat und damit die Dauer der Epidemie verkürzt werden konnte. Tatsächlich gehen die Wissenschaftler davon aus, dass Herdenimmunität in Japan entweder bereits erreicht wurde oder kurz bevor steht.
• Lockdowns zögern nicht nur die Verbreitung von SARS-CoV-2 hinaus, sie verlängern auch die Zeit, in der sich Angehörige der besonders gefährdeten Gruppen anstecken können. Irgendwie ist es in Japan gelungen, alte Menschen und Angehörige der Risikogruppen zu schützen und dennoch für eine schnelle Verbreitung des Virus zu sorgen.
Weshalb die Sterberate in Japan so gering ist, ist eine Frage, deren Antwort wir mit Spannung erwarten. Möglicherweise hat das verbreitete Tragen von Masken zur positiven Entwicklung beigetragen, denn wenngleich Masken keinen guten Schutz vor Ansteckung bieten, so sind sie doch in der Lage, die Virenlast zu reduzieren, so dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, einen milden oder asymptomatischen Verlauf zu nehmen. Natürlich fallen einem bei der Suche nach den Faktoren, die dieses erstaunliche Ergebnis für Japan erklären, auch kulturelle Unterschiede, z.B. in der Ernährung ein. Was es damit auf sich hat, bleibt weiterer Forschung vorbehalten. Auch ein besseres immunologisches Gedächtnis, z.B. weil möglicherweise Coronaviren in Japan weiter verbreitet sind als anderswo und das Immunsystem entsprechend auf SARS-CoV-2 vorbereitet ist, könnte eine Erklärung für die viel geringere Sterberate in Japan sein, so wie immer die Möglichkeit besteht, dass in Japan ein harmloserer Stamm von SARS-CoV-2 unterwegs ist, wenngleich das eher unwahrscheinlich ist.
Auf Grundlage dieser Studie kann der Anteil derer, die nach Infektion mit SARS-CoV-2 sterben, auf 0,0006 Prozent für Japan berechnet werden. Damit wäre Covid-19 harmloser als eine Grippe.