In Österreich hat sich der ORF Mitte Mai mit der Frage befasst, auf welcher Grundlage die schwarz-grüne Bundesregierung die Corona-Radikalmaßnahmen beschlossen hat. „Dass jeder jemanden kennen werde, der an Covid-19 verstorben ist“, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Ende März kryptisch verkündete, basiere auf einem Expertenpapier von fünf Forschern. Und zwar von den vier Mathematikern Walter Schachermayer, Mathias Beiglböck, Philipp Grohs und Joachim Hermisson, alle Forscher an der Universität Wien, und dem Populationsgenetiker Magnus Nordborg von der Akademie der Wissenschaften.
Gesundheitsministerium verwirrt
Ende März, als man im Gesundheitsministerium erleichtert war, dass die Reproduktionszahlen zurückgehen, erklärt Kurz – bezugnehmend auf das Papier der fünf Forscher – in einer Pressekonferenz, dass „es die Ruhe vor dem Sturm sei“, dass „die Zeit, in der die Intensivstationen überlastet sein werden, noch vor uns läge.“
Die fünf Forscher hatten in ihrem Papier vorausgesagt, dass Österreichs Gesundheitssystem „Mitte April zusammenbrechen werde.“ Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte, dass „das Papier nicht aus meinem Krisenstab kommt“.
Kritik an Mathematiker-Papier
Kurz hat also Österreich aufgrund eines Papiers von fünf Personen den Stillstand verordnet. Ein Papier, das etwa von Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien kritisiert wird:
Das sogenannte Expertenpapier ist deswegen problematisch, weil die meisten Annahmen nicht genau beschrieben sind. Aus meiner Sicht wurde ein wenig geeignetes Modell verwendet.
Entscheidungsgrundlage als Staatsgeheimnis
Auch in Italien herrscht Unklarheit, auf welcher Entscheidungsgrundlage die dortige Linksregierung den „Lockdown“ verordnete. Denn die gesamten Unterlagen des technisch-wissenschaftlichen Komitees des Zivilschutzes, die offiziell Grundlage der Regierungsentscheidung für alle Corona-Maßnahmen bis heute sind, sind geheim.
Nachdem alle Anträge auf Einsichtnahme von verschiedener Seite von der Linksregierung abgeschmettert worden waren, klagte die Einaudi-Stiftung, benannt nach dem Ökonomen und liberalen Politiker Luigi Einaudi, der von 1948 bis 1955 italienischer Staatspräsident war, dagegen beim Verwaltungsgericht Latium – und bekam Recht.
Einspruch gegen Urteil, um Geheimnis zu bewahren
Dennoch wurde bis heute keine Einsicht gewährt: Denn die Regierung legte Einspruch dagegen beim Obersten Verwaltungsgerichtshof, dem Staatsrat, ein und verlangte die Aussetzung des Urteils – und erhielt sie. Die Unterlagen bleiben also geheim. Ein ganzes Land wird zugesperrt und abgewürgt, und die Bürger dürfen nicht einmal erfahren, nach welchen Kriterien, auf welcher Grundlage die Entscheidungen getroffen wurden!
Modellannahmen bis heute nicht kommuniziert
Während in Italien die Entscheidungskriterien für den “Lockdown” Staatsgeheimnis sind und bleiben, fußen sie in Österreich auf einem wissenschaftlich umstrittenen Papier aus dem Kanzleramt. In einem Kommentar im Falter erklärten Schachermayer und Beiglböck:
Wie jedes mathematische Modell kann es nur Aussagen in der Form von ‚wenn … dann‘ treffen.
Und der ORF stellte schon im Mai fest: „Das „Dann“ wurde von der Politik mit Nachdruck kommuniziert. Über das „Wenn“ der Modellannahmen wurde die Öffentlichkeit allerdings bis heute nicht aufgeklärt.“