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Rechtsansicht - Susanne Fürst

Susanne Fürst listet die Befangenheitsgründe des U-Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) auf.

19. Juni 2020 / 14:31 Uhr

Wolfgang Sobotka als U-Ausschuss-Vorsitzender: Wie befangen kann man sein?

„Ich bin mit Sicherheit nicht befangen“, meint Wolfgang Sobotka (ÖVP), Nationalratspräsident und damit auch Vorsitzender des laufenden Ibiza-Untersuchungsausschusses. Gemäß der Verfahrensordnung des Parlaments für U-Ausschüsse muss „eine unabhängige, sachliche und objektive Verfahrensleitung“ durch den Vorsitzenden gewährleistet sein.

Kommentar von Dr. Susanne Fürst

Aus den analog heranzuziehenden (verwaltungs-)strafrechtlichen und höchstgerichtlichen Grundsätzen ergibt sich für den Vorsitzenden eines U-Ausschusses in folgenden Fällen eine Befangenheit:

  • wenn der Vorsitzende ein Naheverhältnis zu Personen hat, die im Ausschuss aussagen werden;
  • wenn bei ihm aufgrund dieses Naheverhältnisses persönliche oder berufliche Interessen am Verlauf des Ausschusses vorliegen;
  • es darf kein Anlass bestehen, bei der vernünftigen Würdigung aller Umstände an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln; und
  • es kommt nicht darauf an, ob der Vorsitzende tatsächlich befangen ist, oder ob er sich befangen fühlt; entscheidend ist, ob wichtige Gründe vorliegen, die Zweifel an seiner vollen Unbefangenheit aufkommen lassen. Maßgeblich ist die Sicht eines vernünftigen Dritten.

Es ist aufgrund folgender Umstände mehr als fraglich, ob diese Überparteilichkeit im Sinne einer Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten beim Vorsitzenden Sobotka tatsächlich erfüllt ist. Denn der Glücksspielkonzern Novomatic – und allfällige Vereinbarungen zwischen Politik und dem Unternehmen – stehen im Mittelpunkt des „Ibiza-Ausschusses“, und der Vorsitzende pflegt sehr gute, interessante Kontakte zu diesem Unternehmen:

Präsident des Alois-Mock-Instituts

Sobotka ist nicht nur Präsident des Nationalrats, sondern auch Präsident des Alois-Mock-Instituts mit Sitz in St. Pölten, das laut Homepage seit 2012 als Plattform für „Vordenker“ agiert, die sich mit Zukunftsthemen befassen. Angeblich von Parteien völlig unabhängig, ist das Büro des Instituts im Haus der Hypo Niederösterreich untergebracht, die im Eigentum des Landes Niederösterreich steht.

Präsident Sobotka ist für die strategische Ausrichtung und eine „gute Vernetzung des Instituts“ verantwortlich. Bei der Vernetzung dürfte er sehr erfolgreich sein, da das Institut stolz auf ein jahrelanges Sponsoring seitens Novomatic zurückblicken kann. Novomatic schaltet regelmäßig Inserate im „Mock-Report“ des Instituts, und mitunter finden Veranstaltungen im repräsentativen Novomatic-Forum in der Friedrichsstraße gegenüber der Sezession im 1. Bezirk statt. Sowohl Novomatic-Eigentümer Johann Graf, als auch Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann (sein Rücktritt im März 2020 als Konzernchef aus „familiären Gründen“ ist geheimnisumwoben) sind im U-Ausschuss geladene Auskunftspersonen.

Bernhard Krumpel

Bernhard Krumpel war 1999/2000 der Pressesprecher von Sobotka. In den vergangenen Jahren fand Krumpel den Weg zu Novomatic und agierte als deren Pressesprecher. Bis Mitte 2016 hatte Krumpel mit dem Ex-FPÖ- Abgeordneten Markus Tschank und Peter Sidlo ein gemeinsames Unternehmen, die Polimedia-GmbH. Eine anonyme Anzeige betreffend die Bestellung von Sidlo zum Casinos-Vorstand löste umfangreiche Ermittlungen aus, und Krumpel findet sich als Beschuldigter im Casinos-Strafverfahren und als Auskunftsperson im U-Ausschuss wieder. Hier trifft er wiederum auf seinen früheren Arbeitgeber Sobotka, der den Ausschuss leitet. Sobotka seinerseits kann sich laut einer Auskunft an die Wiener Zeitung vom 26.Mai 2020 nicht erinnern, „wann und wo er Krumpel zuletzt getroffen habe.“

Der Kalender von Novomatic-Eigentümer Johann Graf kann dem Gedächtnis von Sobotka vielleicht auf die Sprünge helfen.

Treffen mit Johann Graf (und die „Ehefrau-Connection“)

Der Kalender von Novomatic-Gründer und Eigentümer Graf weist am 13. März 2019 um 14.00 Uhr folgenden Eintrag auf: „Sobotka bei Krumpel+Tina+Oswald“ und um 15.00 Uhr „7. Stock – begrüße Sobotka“. Bei „Tina“ dürfte es sich, spekuliert das profil, um Tina Reisenbichler, Geschäftsführerin bei der Novomatic Lottery Solutions, handeln und bei „Oswald“ um den Novomatic-Aufsichtsratsvorsitzenden Bernd Oswald. Dessen Ehefrau – auch sie heißt Tina und könnte gemeint sein – arbeitete interessanterweise in Wolfgang Sobotkas Büro… Man beachte auch den Zeitpunkt des Kalendereintrags.

Am 9. Juli 2019 – nach Bruch der türkis-blauen Regierung – ist Sobotka wieder bei Johann Graf.

Ein Sobotka-Sprecher bestätigte beide Treffen; es habe sich im März um einen Besuch rund um die Arbeiterkammerwahl gehandelt, da Sobotka ja ÖAAB-Obmann in Niederösterreich sei. Mit dem Novomatic-Eigentümer Graf habe er über „Fragen einer zeitgemäßen Unternehmenskultur“ gesprochen und diesen Austausch im Juli fortgesetzt. – Sehr überzeugende Erklärung.

Sobotka muss sich selbst für befangen erklären

Man braucht keine fundierten juristischen Kenntnisse, um aus der Sicht eines vernünftigen Dritten zumindest erhebliche Zweifel an der völligen Unvoreingenommenheit Sobotkas bei der Vorsitzführung im Untersuchungsausschuss zu hegen. Es liegen gleich mehrere persönliche Kontakte und Naheverhältnisse vor, die die geforderte Distanz des Verfahrensleiters zu den Auskunftspersonen nicht glaubwürdig erscheinen lassen. Selbstverständlich hat Sobotka ein „Interesse am Verlauf der Befragungen“ seiner guten „Bekannten“ im Ausschuss. Und wie gesagt: Es kommt nicht darauf an, ob der Vorsitzende tatsächlich befangen ist, oder ob er sich befangen fühlt; entscheidend ist, ob bei Würdigung aller Umstände Zweifel an seiner vollen Unbefangenheit aufkommen.

Die Conclusio lautet daher, dass Sobotka sich für befangen erklären und den Vorsitz im Ausschuss abgeben müsste. Das dafür notwendige Maß an Einsichtsfähigkeit und Selbstkritik dürfte aber nicht vorhanden sein.

PS: Laut der Aussage von Ex-Novomatic-Konzernboss Neumann im U-Ausschuss ist Sobotka „eine der bedeutendsten politischen Persönlichkeiten in Österreich“. Falls dies noch nicht allseits bekannt war…

Dr. Susanne Fürst ist Rechtsanwältin und seit 2017 Nationalratsabgeordnete der FPÖ. Im Freiheitlichen Parlamentsklub ist sie Obmannstellvertreterin und für die Bereiche Verfassung, Menschenrechte und Geschäftsordnung verantwortlich. Zudem vertritt sie die FPÖ im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. Fürst schreibt für unzensuriert regelmäßig die Kolumne „Rechtsansicht“.

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