Antonella Mei-Pochtler

Nach heftigen Protesten musste Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) von der Corona-Überwachungs-App vorübergehend Abstand nehmen. Seine Vertraute, Antonella Mei-Pochtler, meint jedoch, jeder Österreicher müsse irgendwann mit einer solchen Überwachung leben.

5. Mai 2020 / 21:18 Uhr

Kurz-Vertraute Mei-Pochtler will Überwachungs-App für jeden Österreicher

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte im März den Einsatz der Rot-Kreuz “Stopp-Corona-App” zur Bekämpfung der Coronakrise angekündigt. Jene zwei Millionen Österreicher, die kein Smartphone besitzen, wollte Kurz mittels Schlüsselanhängern überwachen. App wie Schlüsselanhänger sollten sämtliche physischen Kontakte speichern und die Nutzer warnen, wenn einer dieser Kontakte mit Corona infiziert ist oder als Verdachtsfall gilt. Die „Stopp Corona App“ und der Schlüsselanhänger wären eine noch nie dagewesene Dimension der totalen Überwachung aller Bürger. Ganz abgesehen von den fatalen Bewertungen durch Datenschützer – unzensuriert berichtete.

Protest erzwang Rückzug von ÖVP-Überwachungsplänen

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte Anfang April dann dafür plädiert, die „Stopp Corona App“ verpflichtend zu machen. Als Widerstand aufbrandete, ruderte die ÖVP zurück.

Doch aufgegeben hat man diesen Überwachungsplan keineswegs. So brachte die Kanzlerberaterin und Leiterin der Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt, Antonella Mei-Pochtler, das Thema gestern, Montag, in einem Interview wieder auf das Tapet. Sie sprach ganz offen davon, dass die Überwachung via App Teil der von Kurz so oft angekündigten „neuen Normalität“ sein werde. Die Österreicher müssten sich an Tools gewöhnen, die „am Rand des demokratischen Modells“ seien.

Scharfe Kritik von Kickl

Scharfe Kritik kam vom freiheitlichen Klubobmann im Parlament, Herbert Kickl:

“Wer Österreichs Weg am Rande des demokratischen Modells sieht, hat im Bundeskanzleramt nichts verloren.”

Der ehemalige Innenminister warnte davor, dass die Regierung auf Basis von Angstmache im Windschatten der Corona-Krise versuche, nicht zu rechtfertigende, gefährliche Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger durchzupeitschen. Die freiheitliche Nationalratsabgeordnete Susanne Fürst bereitete umgehend eine parlamentarische Anfrage zu den Aussagen Mei-Pochtlers und ihrer Tätigkeit im engsten Beraterumfeld des Kanzlers vor.

Wer ist Mei-Pochtler?

Mei-Pochtler ist Gründerin des Wiener Büros der Unternehmensberatung „Boston Consulting Group“ (BCG). In diesem Zusammenhang ist die Enthüllung von Lanceur d’Alerte vom September 2019 über “Macronleaks”, einer Sammlung von brisanten Dokumenten über Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, interessant, die in Österreich – mit Ausnahme von unzensuriert! – gar nicht wahrgenommen wurde. Dabei geht es um die Finanzierung von Macrons Bewegung „En marche!“, die erst 2016 von ihm im Vorfeld seiner Kandidatur für die französischen Präsidentschaftswahlen gegründet wurde und schon ein Jahr später an der Spitze Frankreichs stand.

Der Inhalt der Macronleaks enthüllte einen Berg von Dokumenten, die in den E-Mails der Mitarbeiter von Macron gespeichert waren. Darunter die Unterstützer und ihre Geldbeträge, mit denen sie Macrons Partei unter die Arme griffen: George Soros mit 2.365.910,16 Euro, der Bankier David de Rothschild mit 976.126,87 Euro und das weltweit tätige Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Goldman-Sachs mit 2.145.100 Euro. Zu den Unterstützern von Macron gehört auch die BCG, wie Christian Dargnat vom Macron-Wahlkampfkomitee in einer E-Mail anmerkte.

Boston Consulting Group mit politischem Engagement

2017 lud BCG verschiedene Persönlichkeiten des politischen Lebens zu einer „Vordenker-Initiative“, darunter den jetzigen Gesundheitsminister der Bundesrepublik Deutschland, Jens Spahn. Das Unternehmen ist international also am Puls der Politik. Zu den Zielen von BCG wird man auf deren Internetseite fündig:

Mit mehr als 90 Niederlassungen in über 50 Ländern verfolgen wir eine wahrhaft globale Perspektive.

In Österreich ist BCG durch Mei-Pochtler vertreten. Sie gehört zum engsten Kreis des Kanzlers und hat dessen Wahlprogramm 2017 mitgeschrieben.

Digitaler Immunitätsausweis

BCG ist aber auch geschäftlich an den digitalen Corona-Produkten interessiert. Gemeinsam mit der bundesdeutschen Firma „Bundesdruckerei“, Lufthansa Industry Solution und der Universitätsklinik Köln arbeitet man bereits an einem digitalen Immunitätsausweis. In der Projektvorstellung, dem sogenannten „White paper“, heißt es:

Um einen schnellen Neustart der Wirtschaft zu ermöglichen, schlagen wir eine IT-Infrastruktur vor, die den Koronastatus und andere relevante Daten einer getesteten Person in einer Blockchain verankert und damit allen Beteiligten – Gesundheitssystem, Patienten, Unternehmen – jederzeit und anwendungsübergreifend zugänglich macht. Damit wird es möglich sein, den Menschen ein Gesundheitszeugnis vergleichbar mit einem „digitalen Korona-Impfpass“ auszustellen.

Damit wird klar, warum sich Mei-Pochtler für die Überwachungs-App ausspricht. Es geht auch um ein großes Geschäft. Auf dem Rücken – oder dem Handy – der überwachten Bürger.

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